Z Orthop Unfall 2020; 158(S 01): S258-S259
DOI: 10.1055/s-0040-1717633
Vortrag
DKOU20-1219 Schwerpunktthemen->2. Komplikationsmanagement: Wann was revidieren?

Iatrogene Verletzungen des Nervus radialis - Differentialdiagnostik und Therapie

R Boettcher
*   = präsentierender Autor
1   Schwerpunkt für rekonstruktive Chirurgie, Unfallkrankenhaus Berlin, Berlin
,
U Schnick
1   Schwerpunkt für rekonstruktive Chirurgie, Unfallkrankenhaus Berlin, Berlin
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Fragestellung: Die Wahrscheinlichkeit, im Zusammenhang mit einer ärztlichen Behandlung eine Verletzung des Nervus radialis zu erleiden, ist nur für Humerusfrakturen mit rund 10 % publiziert. Angaben zu iatrogenen Verletzungen des Nervus radialis an anderer Lokalisation sind nicht verfügbar. Grundsätzlich bekannt ist, dass in 25 % der Fälle keine spontane Reinnervation erfolgt. Es muss davon ausgegangen werden, dass alleine bei Humerusfrakturen grundsätzlich 3 % aller Patienten mit manifesten Lähmungen verbleiben. Die Daten aus einem Zeitraum von 8 Jahren sollen ermöglichen, die grundsätzliche Gefährdung des Nervus radialis auch bei anderen Verletzungen, Erkrankungen und Lokalisationen der oberen Extremität einzuschätzen und einen Überblick über die Ergebnisse diagnostischer und chirurgischer Verfahren zu geben.

Methodik: In einer retrospektiven Untersuchung wurden alle Fälle aufbereitet, die zwischen 01/2010 und 12/2017 wegen einer Verletzung des Nervus radialis mit den ICD-Codes S44.2, S54.2 und G56.3 operiert wurden. Alle Patienten mit isolierten Verletzungen des sensiblen Ramus superficialis oder mit begleitendem Kompartmentsyndrom wurden ausgeschlossen. Die verbliebenen 90 Fälle wurden bezüglich Verletzungsursache, Lokalisation, Behandlung und Ergebnis ausgewertet

Ergebnisse und Schlussfolgerung: In 20 von insgesamt 48 operierten Nn. radialis in Schulter- und Oberarmhöhe bestand eine iatrogene Ursache. Der Anteil der iatrogenen Verletzungen war in Ellenbogen- und Unterarmhöhe mit 12 von 42 geringer.

Proximal waren sowohl Plattenosteosynthesen als auch intramedulläre Nagelosteosynthesen die häufigsten Ursachen. In jeweils 3 Fällen stand die Verletzung des N. radialis in Zusammenhang mit chirurgischen Eingriffen am Radiuskopf bzw. der Entfernung von Schwannomen. Die zeitliche Latenz zwischen auslösendem Ereignis und operativer Behandlung der Nervenläsion betrug rund 3 Monate mit einer Spanne von 1 bis 947 Tagen. Die diagnostischen Verfahren beinhalteten regelhaft neben Sonographie und ggf. MRT eine differenzierte elektrophysiologische Untersuchung mit Aussagen zum Ausmaß axonaler Läsionen. Aufgrund lang bestehender Schädigungsdauer oder hohem Lebensalter sowie einmalig auf dringenden Patientenwunsch wurden in 10 Fällen motorische Radialisersatzplastiken durchgeführt. Ansonsten erfolgten Revisionen, in der Regel gefolgt von teilweise interfaszikulären Neurolysen und mikrochirurgischen Nervenrekonstruktionen mit Transplantaten. Bei 3 Revisionen ergaben sich keine Rekonstruktionsmöglichkeiten, so dass eine Ersatzplastik zweizeitig angeschlossen wurde. 3 Patienten konnten nicht nachuntersucht werden. Für 25 Patienten konnte eine funktionell wirksame Verbesserung erzielt werden.

Iatrogene Verletzungen des Nervus radialis haben vielfältige Ursachen. Bei frühzeitiger differentialdiagnostischer Aussage zum Ausmaß des axonalen Schadens können verschiedene chirurgische Optionen genutzt werden, um den Nerven und die Funktion der Hand zu rekonstruieren.

Stichwörter: iatrogen, Radialisparese, Nervenrekonstruktion



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Article published online:
15 October 2020

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