Z Orthop Unfall 2020; 158(S 01): S266-S267
DOI: 10.1055/s-0040-1717650
Vortrag
DKOU20-1262 Schwerpunktthemen->6. Digitalisierung: Was brauchen wir wirklich?

Das Augmented Reality Magic Mirror System - Anwendung einer Augmented Reality Technologie in der anatomischen Lehre

AM von der Heide
*   = präsentierender Autor
1   Klinik für Allgem.-, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, LMU München, München
,
I Seelbach
2   Medizinische Fakultät LMU München, München
,
F Bork
3   Technische Universität München, Fakultät für Informatik, Computer Aided Medical Procedures & Augmented Reality, Garching bei München
,
P Jutzi
3   Technische Universität München, Fakultät für Informatik, Computer Aided Medical Procedures & Augmented Reality, Garching bei München
,
M Meng
3   Technische Universität München, Fakultät für Informatik, Computer Aided Medical Procedures & Augmented Reality, Garching bei München
,
P Fallavollita
4   Interdisciplinary Health Sciences, Faculty of Health Sciences, University of Ottawa, Ottawa
,
N Navab
3   Technische Universität München, Fakultät für Informatik, Computer Aided Medical Procedures & Augmented Reality, Garching bei München
,
E Euler
1   Klinik für Allgem.-, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, LMU München, München
› Author Affiliations
 

Fragestellung: Ziel der Studie ist die Analyse eines neuen Augmented Reality Magic Mirror Systems (ARMMS) zur anatomischen Wissensvermittlung am Beispiel der oberen Extremität im direkten Vergleich zum Lernmedium Anatomie Atlas (AA).

Methodik: Das Setup des ARMMS ist in [Abb. 1] schematisch dargestellt.

Zoom Image
Abb.1 Schematische Darstellung der Hardware und des Versuchsaufbaus des Augmented Reality Magic Mirror Systems

Der TV-Bildschirm wirkt als digitaler Spiegel. Für die korrekte Überlagerung des digitalen Spiegelbildes mit anatomischen Daten wurde der Tracking-Algorithmus von Shotten et al.(1) implementiert. Die Interaktion mit dem ARMMS erfolgt über ein intuitives User Interface. Das ARMMS und der AA stellen im Rahmen dieser Studie nur Scapula, Humerus, Radius, Ulna, M. coracobrachialis,

M. biceps brachii, M. triceps brachii, M. brachialis, M. anconaeus, M. pronator teres, M. pronator quadratus und M. supinator mit den jeweiligen anatomischen Informationen dar. Das ARMMS hebt aktivierte Muskeln zusätzlich farblich hervor. 150 Probanden wurden in die Studie eingeschlossen und randomisiert in die Studiengruppen ARMMS und AA eingeteilt. Für beide Gruppen wurde eine identische Lerneinheit, Mulitple-Choice(MC)-Prüfung und ein Fragebogen zur Evaluation der beiden Systeme in den Kategorien Motivation, Qualität des Lernens und Dimensionales Verständnis konzipiert. Die statistische Analyse erfolgte über

Box-Plot-Darstellung, Berechnung der Mittelwerte, Standardabweichung, der prozentualen Häufigkeiten, Mann-Whitney-Test und Chi-Quadrat-Test. Das Signifikanzniveau beträgt 5%.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: In der Gesamtevaluation der Kategorien zeigt sich, dass das ARMMS in allen drei Kategorien signifikant besser evaluiert wird als der AA; p<0.001 in Kategorie Motivation und Dimensionales Verständnis sowie p<0.005 in Kategorie Qualität des Lernens. Die Detailevaluation innerhalb der einzelnen Kategorien ist in [Tab. 1] dargestellt.

Tab.1

Mittelwerte und Standardabweichungen je Item der drei Kategorien für beide Gruppen.

Mittelwert

ARMMS (n=73)

Mittelwert AA

(n=77)

Standardabw

eichung ARMMS

Standardabw

eichung AA

p-Wert

Kategorie

Motivation

Steigert meine

Motivation

3,16

2,49

0,76

0,75

,001

Bereitet Spaß beim

Lernen

3,30

2,34

0,76

0,68

,001

Kategorie Qualität

des Lernens

Fördert meine

Aufmerksamkei t

2,97

2,43

0,69

0,79

,001

Liefert zu viele

Informationen

1,96

2,91

0,89

0,83

,001

Fördert aktives

Lernen

3,47

2,34

0,73

0,82

,001

Hilft eigenständig zu

lernen

2,93

2,79

0,77

0,86

,335

Liefert wichtiges

Wissen

3,29

3,47

0,74

0,58

,176

Stellt Anatomie

übersichtlich dar

3,36

2,99

0,82

0,72

,001

Hilft Wissen im

Gedächtnis zu speichern

2,92

2,29

0,83

0,72

,001

Kategorie Dimensionales

Verständnis

Hilft die Anatomie

des Armes zu erlernen

3,34

3,22

0,63

0,62

,221

Fördert mein Verständnis für die unterschiedlich en Bewegungen des

Armes

3,59

2,79

0,62

0,83

,001

Hilft die Funktion der einzelnen

Muskeln zu erlernen

3,53

2,70

0,56

0,83

,001

Visualisiert die Funktion der

einzelnen Muskeln

3,67

2,36

0,47

0,97

,001

(Von 1 = Trifft nicht zu bis 4 = Trifft voll

zu)

(Von 1 = Trifft nicht zu bis 4 = Trifft voll

zu)

(Von 1 = Trifft nicht zu bis 4 = Trifft voll

zu)

(Von 1 = Trifft nicht zu bis 4 = Trifft voll

zu)

Die Gesamtauswertung der MC-Prüfung zeigt eine signifikante Verbesserung des anatomischen Wissens der ARMMS Gruppe, p<0.025. Die Detailauswertung der einzelnen MC-Fragen ist in Tab. 2 dargestellt.

Tab.2

Rel. Häufigkeiten (%) der Antworten je MC-Frage, Chi-Quadrat-Test u. p-Wert für beide Gruppen.

Frage

ARMMS richtig

ARMMS falsch

AA richtig

AA falsch

Chi-Quadra tr

p-Wert

1) Identifikation des Humerus

93

7

96

4

0,647

,421

2) Strecker des

Ellbogengele nks

57

43

36

64

6,748

,009

3) Größte Kraftentfaltu ng

in Beugestellun g

77

23

61

39

4,279

,039

4) Identifikation

M. coracobrachi alis

72

29

79

21

0,900

,343

5) Identifikation des wichtigsten Muskels für Streckung im

Ellbogen

90

10

80

20

2,930

,087

6) Ansatz

welchen Muskels an der Ulna

16

84

16

84

0,005

,942

7) Bewegungs-k ombinatione n

Ellbogengele nk

73

27

79

21

0,577

,448

8) Ansatz/Ursprung M. pronator

quadratus

82

18

68

32

3,600

,058

9) Ansatz/Ursprung M.

pronator teres

30

70

14

86

5,487

,019

10) Bewegung M.

supinator

54

46

55

45

0,002

,897

Das einfache Setup des ARMMS, die intuitive Anwendung und das hohe Lehrpotential wurden demonstriert. Diese Ergebnisse stehen in Übereinstimmung mit u.a. Garg et al.(2), Gopal et al.(3), McNulty et al.(4) und Xu et al.(5) die den positiven Einfluss der aktiven Einbindung des Anwenders, wie das ARMMS es ermöglicht, auf den Lernprozess beschreiben. Eine Integration des ARMMS in das medizinische Curriculum als zusätzliches Lehrmedium ist daher zu empfehlen.

Stichwörter: Augmented Reality, Interactives Lernen, Menschliche Anatomie, Computer Aided Learning, Medizindidaktik



Publication History

Article published online:
15 October 2020

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Georg Thieme Verlag KG
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  • Literatur

  • 1 DOI:10.1109/CVPR.2011.5995316
  • 2 DOI:10.1016/S0140-6736(00)03649-7
  • 3 DOI:10.1016/j.compedu.2010.02.013
  • 4 DOI:10.1002/ca.10188
  • 5 DOI:10.1007/s11423-014-9351-8