Sportphysio 2016; 04(01): 44-45
DOI: 10.1055/s-0041-108165
Notes
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Veranstaltungsberichte

Further Information

Publication History

Publication Date:
08 February 2016 (online)

2. JAHRESTREFFEN DER OS-COACHES IN MÜNCHEN

Vom Fuß bis zum Profifußball

Das zweite Jahrestreffen der OS-Coaches war ein Tag mit vielen Infos zu Prehab, Rehab und Athletic Training und fand am 2. Oktober 2015 in München statt.

Die Rolle des Fußes Mit dem Schwerpunkt „Fuß“ begann das Treffen. Drei praxisnahe Beiträge boten den Orthopädie- und Sportmedizininteressierten viele Anregungen für ihre tägliche Arbeit. Michael Roser, Sportphysio der österreichischen Volleyball-Nationalmannschaft, referierte über den Einfluss des Fußes auf die untere Extremität. Er zeigte eindrucksvoll, wie eine Fehlstellung des Fußgewölbes und eine Beweglichkeitseinschränkung des Großzehengrundgelenks zu Dysfunktionen beim Abrollen sowie zu einer aufsteigenden Ursache-Folgen-Kette führen können. Pedobarometrie – eine spezielle Software, die in der Lage ist, die Hauptbelastungszonen beim Gehen und Laufen darzustellen – wurde von Hans-Jürgen Gruner vorgestellt. Der Vorteil ist, dass die Analyse der Druck- und Belastungszonen des Fußes dabei in der Dynamik stattfindet. Die Auswertung kann als Grundlage zur temporären Versorgung mit Einlagen sowie als Entscheidungshilfe für den richtigen Laufschuh genutzt werden. Und schließlich präsentierte Julia Derbfuß, Laufexpertin aus Bamberg, wie wichtig Fußmuskeltraining zur Verletzungsprophylaxe ist und welche Vor- und Nachteile es bei den verschiedenen Laufstilen gibt.

Back to Sport Die zweite Session stand ganz im Zeichen der Rehabilitation und diagnostischer Möglichkeiten bezüglich der Rückkehr zum Sport. Matthias Keller betonte die Notwendigkeit einer Differenzierung und Begriffsbestimmung beim Thema „Back to Sport“. Dazu stellte er erste Ergebnisse seiner Arbeitsgruppe vor, deren Ziel es ist, eine genauere Einteilung vorzunehmen. Diese Klassifizierung, die im Januar 2016 veröffentlicht wird, unterscheidet zwischen: Rückkehr zur sportartspezifischen Basisfunktion, zum sportartspezifischen Training, zum Sport und zum Wettkampf. Als Nächstes stellte Oliver Schmidtlein ein Update zum RTAA (Return-to-Activity-Algorithmus) vor und erläuterte die Durchführung und Interpretation qualitativer Tests. Diese helfen Defizite in den Bewegungsmustern des Patienten aufzudecken und bieten den Therapeuten eine zusätzliche Orientierung, Rehaphasen besser zu planen und das Rehatraining objektiver und sicherer zu gestalten. Eduard Kurz stellte eine eigens durchgeführte Fallstudie zum Thema funktionelle Defizite nach Ruptur des vorderen Kreuzbandes vor. Mittels EMG-Ableitung konnte bei einer Profifußballerin festgestellt werden, dass Auffälligkeiten beim Innervationsmuster verschiedener an der Laufbewegung beteiligter Muskeln auch über eine erfolgreiche Therapie hinaus bestehen bleiben können.

„Der gläserne Athlet“ war das Thema von Tim Hüfner. Er stellte GPS/Accelerometrie in der Rehabilitation und im Trainingsalltag von Sportlern vor. Mit diesem System ist es möglich, Daten im Bereich Schnelligkeit, Beschleunigung, Richtungswechsel und Agilität aufzuzeichnen und auszuwerten. So gestaltet man das individuelle Training noch zielgerichteter. Außerdem hilft das System, Überlastungen des Athleten zu vermeiden.

Zoom Image
Ex-Fußballer Thomas Hitzlsperger – hier im Gespräch mit Oliver Schmidtlein (links) – war eines der Redner-Highlights zum Thema Profifußball. (Foto: Matthias Keller)

Athletiktraining im Profifußball Dann ging es zum letzten Schwerpunktthema des Tages über: Der ehemalige Fußball-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger gab einen Einblick in das aktuelle Athletiktraining aus Sicht eines Fußballprofis. Dabei erklärte er auch die Unterschiede zwischen seinen Stationen in Deutschland, England und Italien. Interessant waren der Rückblick auf die Anfänge des Athletiktrainings vor 2006 unter Jürgen Klinsmann, die eine neue Ära im deutschen Profifußball einläuteten, und die ehrlichen Worte zu den Schattenseiten im Profifußball. Dazu zitierte Hitzlsperger einen ehemaligen Trainer mit den Worten: „Du läufst so lange, bis der Schmerz weg ist!“

Sowohl die TSG 1899 Hoffenheim als auch der Hamburger SV haben einige Inhalte aus dem Seminarsystem vom OS Institut für die Arbeit mit ihren Athleten übernommen. Bernd Steinhoff von der TSG 1899 Hoffenheim lieferte Einblicke in die Maßnahmen zur Verletzungsprophylaxe bei den Profifußballern, wobei er die Aufgabe des Präventivtrainers und den hohen Stellenwert der Individualisierung bei der präventiven Trainingsgestaltung erläuterte. Und Sebastian Grützner vom HSV zeigte, wie die athletische Ausbildung, beginnend im Jugendbereich bis zur Profiabteilung, in Hamburg umgesetzt wird: altersgemäße Standards, individuelle Trainingspläne und bis zu zwei reine Athletikeinheiten pro Woche im Profibereich.

Dr. Lutz Herdener, Sportwissenschaftler an der TU München, referierte über modernes Schnelligkeitstraining. Interessant waren die Erkenntnisse über ein ergänzendes Krafttraining – vier bis sechs Stunden vor einem Sprinttraining – und den daraus resultierenden besseren Laufzeiten. Außerdem wies er darauf hin, dass Laktat nicht unbedingt ein leistungslimitierender Faktor sein muss, sondern auch zur aeroben Energiegewinnung genutzt werden kann. Der letzte Redner war Christoph von Oldershausen. In seinem Vortrag verglich er den Stellenwert des Athletiktrainings in Deutschland mit dem in den USA. Auffällig sei vor allem, dass die USA eine Vielzahl an Sportstipendien und eine wesentlich bessere Infrastruktur, vor allem im Collegebereich, bieten. Besonders deutlich wird der Unterschied im jährlich stattfindenden „Combine“ der verschiedenen Sportarten, der einen hohen Stellenwert in Bereich der Talentsichtung einnimmt. So betrachtet hat Deutschland „noch viel Luft nach oben“, was das Thema Sportförderung angeht.

Die Experten standen in den Pausen gern zum fachlichen Austausch bereit, was zu regen Gesprächen einlud und das Event abrundete.

Sven Meirer und Patrick Lotz