Dialyse aktuell 2015; 19(10): 516
DOI: 10.1055/s-0041-109785
Journal-Club Pflege
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Die intradialytische Fahrradergometrie aus Sicht der Patienten – Was sind Motivatoren und Barrieren bei der Implementierung in die klinische Praxis?

Dietmar Wiederhold
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Publication Date:
22 February 2016 (online)

Quelle: Heiwe S, Tollin H. Patients' perspectives on the implementation of intra-dialytic cycling--a phenomenographic study. Implement Sci 2012; 7: 68

Thema: Die intradialytische Fahrradergometrie zeigt nachweisbar vielfältige positive Effekte auf die Gesundheit von Hämodialysepatienten. Dennoch ist das Angebot an regelmäßigen Übungen in der klinischen Praxis bisher unzureichend. Für eine erfolgreiche Implementierung der Maßnahmen muss die Sichtweise der Patienten berücksichtigt werden. Das Ziel der Studie aus Schweden war die Beschreibung, wie erwachsene Zentrumsdialysepatienten den Implementierungsprozess der intradialytischen Fahrradergometrie als Teil der regelmäßigen Behandlung erleben, um potenzielle Motivatoren und Barrieren aus Sicht der Patienten zu identifizieren.

Projekt: Die Untersuchung wurde als qualitative Studie in einem Dialysezentrum in Stockholm durchgeführt. Die Studienteilnehmer wurden mit maximaler Variation in ihren Charakteristika (Geschlecht, Dauer der Dialysebehandlung, Alter, körperliche Aktivität) gezielt ausgewählt. Zur Datensammlung wurden semistrukturierte Interviews durchgeführt, die aufgezeichnet, transkribiert und anschließend nach einem phänomenologischen Vorgehen ausgewertet wurden.

Ergebnisse: 6 Männer und 4 Frauen wurden 30–90 min lang interviewt, bis eine Datensättigung erreicht wurde. Die intradialytische Fahrradergometrie wurde aufgrund der günstigen Auswirkungen auf das körperliche und psychische Wohlbefinden, seiner einfachen Durchführung und dass sie keine zusätzliche Patientenzeit in Anspruch nimmt, insgesamt positiv erlebt. Als motivierend für eine Implementierung in den Behandlungsprozess wurden aus Sicht der Patienten die Aspekte gesehen, dass:

  • eine aktive Teilnahme und individuelle Geräteeinstellung sowie ein verbessertes Selbstwertgefühl möglich ist,

  • es sich um ein gutes und einfaches Hilfsmittel zum körperlichen Training handelt,

  • die Chance für ein „Mehr“ an Aktivität und Bewegung ohne Freizeiteinbußen besteht,

  • Ablenkung und Unterbrechung der Langeweile/Routine möglich ist und

  • positive Reaktionen, wie eine verbesserte Gelenkbeweglichkeit und ein besseres Wohlbefinden erlebt werden.

Barrieren, die den Implementierungsprozess behindern, sind aus Sicht der Patienten:

  • Bedenken, Angst oder Zweifel, mit dem Fahrrad zurecht zu kommen, oder dafür nicht leistungsstark genug zu sein,

  • Mängel in der Form oder Funktion des Fahrrades sowie

  • der Eindruck, dass Mitarbeiter zu beschäftigt sind, um Unterstützung und eine Begleitung während den Übungen leisten zu können.

Darüber hinaus wurde die Bereitstellung von Informationen über die positiven Wirkungen der Übungen als günstig für den Implementierungsprozess bewertet. Die Patienten waren neugierig, zu sehen, wie gut die Übungen durchzuführen sind und verbanden damit die Erwartungen, dass das Radfahren die Muskelkraft erhöht. Die Akzeptanz wurde als höher eingeschätzt, wenn während des Radfahrens Gespräche mit den Patienten durch die Behandelnden stattfinden, die ihnen ein Feedback sowie eine positive Bestätigung vermitteln. Ebenso sollte bei der Platzierung des Gerätes eine ungestörte Kommunikation mit den Nachbarpatienten nicht behindert werden.

Fazit: Die Beschreibung des Erlebens der intradialytischen Fahrradergometrie aus Sicht der Patienten sowie die identifizierten Motivatoren und Barrieren helfen, die Implementierung der Übungen in die Routinebehandlung zu fördern.

Schlüsselwörter: chronische Nierenerkrankung – Übungen – Gesundheitsverhalten – Nierenersatztherapie – Verhaltensänderung

Kommentar

Zahlreiche Studien haben die positiven Effekte der intradialytischen Fahrradergometrie bereits nachweisen können [1]. Dennoch gestaltet sich die Implementierung in die Routinebehandlung schwierig. Bei allen Fragen, welche Geräte benutzt oder wie die Maßnahmen konkret umgesetzt werden sollen, dürfen die Nutzer der Übungen, die Patienten, nicht vergessen werden. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie können hierbei helfen, die Sichtweise der Betroffenen besser zu verstehen und die beschriebenen Motivatoren und Barrieren liefern Ansatzpunkte für die Strategieplanung des Umsetzungsprozesses.

Qualitative Forschung, wie sie hier durchgeführt wurde, hat nicht den Anspruch, repräsentative Ergebnisse zu erzielen. Wenn es das Ziel der Forschung ist, nach Ähnlichkeiten und Mustern in den menschlichen Erfahrungen zu suchen, sodass im weiteren Verlauf auf Grundlage der Ergebnisse pflegerische Interventionen geplant werden können, wird gerade ein phänomenologisches Vorgehen empfohlen, da dieser Ansatz den Werten einer ganzheitlichen Pflegepraxis entspricht [2] [3].

 
  • Literatur

  • 1 Wiederhold D. Intradialytische Fahrradergometrie – Verbesserung von Fatigue und der körperlichen Aktivität. Dialyse aktuell 2015; 19: 360-360
  • 2 Edward KL. A theoretical discussion about the clinical value of phenomenology for nurses. Holist Nurs Pract 2006; 20: 235-238
  • 3 Wojnar DM, Swanson KM. Phenomenology: an exploration. J Holist Nurs 2007; 25: 172-180