Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2016; 51(07/08): 440-446
DOI: 10.1055/s-0041-110638
Fachwissen
Anästhesiologie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kardiale Evaluation vor nicht herzchirurgischen Eingriffen - Nach den ESA-Leitlinien von 2014

Cardiac evaluation before non-cardiac surgery
Jan Menzenbach
1   Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Bonn
,
Olaf Boehm
1   Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Bonn
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Publication Date:
01 August 2016 (online)

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Zusammenfassung

Bei nicht herzchirurgischen Patienten findet im Rahmen der Indikationsstellung zum Eingriff durch den Operateur i. d. R. keine kardiale Diagnostik statt. Für die anästhesiologische Betreuung dieser Patienten ist allerdings eine Einschätzung des Herz-Kreislauf-Systems essenzieller Bestandteil der präoperativen Evaluation. Zur Umsetzung eines sinnvollen, risikoadjustierten Einsatzes diagnostischer Ressourcen haben die europäischen Fachgesellschaften für Anästhesiologie und Kardiologie 2014 revidierte Leitlinien zur kardiovaskulären Evaluation und Behandlung nicht herzchirurgischer Patienten publiziert [1]. Die Ansätze der deutschen Leitlinie von 2010 sind bei der Konsensbildung eingeflossen und in die Struktur der systematischen kardialen Evaluation integriert worden. Der folgende Artikel stellt die Kriterien zur Abschätzung des kardialen Risikos und die daraus abgeleiteten Indikationen für eine präoperative kardiale Diagnostik vor.

Abstract

Before non-cardiac surgery, evaluation of cardiac function is no frequent part of surgical treatment. European societies of anesthesiology and cardiology published consensus-guidelines in 2014 to present a reasonable approach for preoperative evaluation. This paper intends to differentiate the composite of perioperative risk and to display the guidelines methodical approach to handle it. Features to identify patients at risk from an ageing population with comorbidities, are the classification of surgical risk, functional capacity and risk indices. Application of diagnostic means, should be used adjusted to this risk estimation. Cardiac biomarkers are useful to discover risk of complications or mortality, that cannot be assessed by clinical signs. After preoperative optimization and perioperative cardiac protection, the observation of the postoperative period remains, to prohibit complications or even death. In consideration of limited resources of intensive care department, postoperative ward rounds beyond intensive care units are considered to be an appropriate instrument to avoid or recognize complications early to reduce postoperative mortality.

Kernaussagen

  • Im Gegensatz zur geringen Inzidenz anästhesieassoziierter Letalität ist die postoperative Letalität unbefriedigend hoch und wird häufig durch kardiale Komplikationen verursacht.

  • Das perioperative kardiale Risiko soll durch Beurteilung des eingriffsspezifischen Risikos, der funktionellen Kapazität und kardialer Risikofaktoren abgeschätzt werden, um gefährdete Patienten zu identifizieren.

  • Eine weiterführende kardiale Diagnostik soll risikoadjustiert eingesetzt werden.

  • Bei Patienten mit hohem Risiko können natriuretische Peptide und Troponin als kardiale Biomarker zur präoperativen Evaluation und postoperativen Verlaufskontrolle bestimmt werden.

  • Zur Risikoreduktion ist eine frühzeitige präoperative Evaluation nach Indikation eines operativen Eingriffes sinnvoll, um eine Behandlung von Komorbiditäten zu gewährleisten.

  • Zur medikamentösen Risikoreduktion werden Betablocker, ACE-Hemmer / Angiotensin-Rezeptorblocker und Statine bei koronarer Herzkrankheit, Herzinsuffizienz und Gefäßerkrankungen empfohlen.

  • Durch eine zunehmende Anzahl älterer Patienten mit Komorbiditäten wachsen die Anforderungen an die perioperative Patientenversorgung.

  • Zur Prävention kardialer Komplikationen sollten Risikopatienten auch außerhalb von Intensiv- und Wachstationen eine postoperative anästhesiologische Visite erhalten.