Zeitschrift für Phytotherapie 2021; 42(S 01): S9-S10
DOI: 10.1055/s-0041-1731476
Vorträge

Warum sind Phytopharmaka bei funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen so erfolgreich? Entzündungshemmung als gemeinsamer Wirkmechanismus

O Kelber
1   Steigerwald Arzneimittelwerk GmbH, R&D, Phytomedicines Supply and Development Center, Bayer Consumer Health, Darmstadt, Deutschland
,
K Nieber
2   Institut für Pharmazie, Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland
,
MT Khayyal
3   Department of Pharmacology, Faculty of Pharmacy, Cairo University, Kairo, Ägypten
› Author Affiliations
 

Einleitung Es ist genau 20 Jahre her, dass Michael Camilleri, einer der führenden Forscher auf dem Gebiet der funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen, entzündliche Veränderungen als eine der Ursachen dieser Erkrankungen beschrieben hat [1]. Pflanzliche Arzneimittel zählen zu den führenden Therapieoptionen bei diesen Erkrankungen. Allein das HMPC der EMA hat 53 Monografien zu bei gastroenterologischen Erkrankungen verwendeten pflanzlichen Drogen veröffentlicht. Da entzündungshemmende Eigenschaften bei pflanzlichen Wirkstoffen sehr verbreitet sind, liegt die Vermutung nahe, dass hier ein Zusammenhang besteht.

Material und Methode Um dieser Vermutung nachzugehen, wurden die HMPC-Monografien ausgewertet, Recherchen [Medline, EMBASE] durchgeführt und zudem Lehrbücher und Daten zu weiteren in der Indikation verwendeten pflanzlichen Präparaten herangezogen.

Ergebnis Für alle Präparate bzw. ihre Inhaltsstoffe konnten entzündungshemmende Eigenschaften aufgezeigt werden, in vitro, in vivo sowie in Einzelfällen, wie bei der Curcumawurzel, auch in klinischen Studien. Anders als bei den NSAR, also den klassischen Entzündungshemmern, die zumeist die Cyclooxygenasen (COX) hemmen, konnte für pflanzliche Entzündungshemmer eine schleimhautschützende Wirkung gezeigt werden, u.a. am Magen in vivo, dort verbunden mit einer Erhöhung der schleimhautschützenden Prostaglandine [2], und am Darm in vitro [3] und in vivo [4], und sie waren dort je mit einer Besserung der entzündungsbedingten funktionellen Störungen verbunden. In Zellkulturmodellen konnte sogar eine erhöhte COX-Expression gezeigt werden, bei gleichzeitiger entzündungshemmender Wirkung [5].

Diskussion und Schlussfolgerungen Die bei funktionellen gastroenterologischen Erkrankungen verwendeten pflanzlichen Drogen und Präparate weisen durchgängig entzündungshemmende Eigenschaften auf, die auch im Magen-Darm-Trakt wirksam werden und dort funktionellen Störungen entgegenwirken können, wie in zahlreichen Untersuchungen gezeigt wurde. Dies könnte künftig besondere Relevanz gewinnen, da auch die funktionellen Störungen des Magen-Darm-Traktes, die zu den Folgen des Long- bzw. Chronic-Covid-Syndroms gehören, das bei einem hohen Prozentsatz der an Covid-19 Erkrankten auftritt, auf eine geringgradige chronische Entzündung zurückgeführt werden.

Widmung Dieser Beitrag ist Samuel N. Okpanyi, Pionier der Phytopharmakologie insbesondere auf dem Gebiet der Gastroenterologie, gewidmet, der am 23. März 2021 während der Covid-Pandemie verstorben ist. Seine wissenschaftliche Integrität und sein wissenschaftliches Erbe sind uns Verpflichtung.



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Article published online:
22 June 2021

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  • Literatur

  • 1 Camilleri M. et al. Gastroenterology 2001; 120: 652-668
  • 2 Khayyal MT. et al. Phytomedicine 2006; 13 (Suppl 1): 56-66
  • 3 Michael S. et al. Phytomedicine 2009; 16: 161-171
  • 4 Khayyal MT. et al. Lecture, German Pharm Tox Summit 2021
  • 5 Bonaterra GA. et al. Phytomedicine 2013; 20: 691-698 .