Zeitschrift für Phytotherapie 2021; 42(S 01): S12
DOI: 10.1055/s-0041-1731482
Vorträge

Arzneipflanzen bei funktionellen Erkrankungen des Darms

A Madisch
1   Gastroenterologie & Interventionelle Endoskopie & Diabetologie, KRH Klinikum Siloah, Hannover, Deutschland
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Die funktionellen Magen-Darm-Störungen (FMS), allen voran die funktionelle Dyspepsie und das Reizdarmsyndrom, zählen mit einer Prävalenz von 10–20 % zu den häufigsten funktionellen gastrointestinalen Störungen. Nur etwa 10–25 % der betroffenen Patienten suchen einen Arzt auf, der Anteil beim Hausarzt macht etwa 5 %, beim Gastroenterologen bis zu 30 % aus. In den westlichen Industrienationen überwiegt das weibliche Geschlecht mit einem Anteil von 60–70 %. Aber nicht nur wegen der hohen Prävalenz des Krankheitsbildes und der damit verbundenen hohen sozioökonomischen Bedeutung, sondern wegen der zum Teil deutlich eingeschränkten Lebensqualität der Patienten erfordern die FMS eine konsequente, aber rationale Diagnosesicherung, sowie eine häufig dauerhafte Langzeitbetreuung der Betroffenen.

Die FMS sind gekennzeichnet durch mehr als 3 Monate andauernde oder rezidivierende krampfartige abdominelle Beschwerden, Völlegefühl, Übelkeit, Meteorismus und/oder Stuhlgangveränderungen ohne pathologische Veränderungen in den routinemäßig verfügbaren Untersuchungsverfahren. Die Diagnosestellung erfolgt auf der Basis einer typischen Symptomkonstellation sowie eines gezielten Ausschlusses von relevanten Differentialerkrankungen. Im Mittelpunkt der Diagnostik steht neben einem begrenzten Routinelabor die endoskopische Diagnostik zum Ausschluss einer organischen Erkrankung des Magen-Darm-Traktes. Eine reevaluierende Diagnostik ist nur bei Änderung der Symptome notwendig.

Bei noch fehlendem ursächlichem Therapieansatz wird die medikamentöse Therapie der FMS in erster Linie als flankierende Maßnahme in den beschwerdereichen Intervallen empfohlen. Die Therapie ist daher zeitlich begrenzt und sie richtet sich nach den vorrangigen Beschwerden, da eine exakte Trennung zwischen funktioneller Dyspepsie und dem Reizdarmsyndrom wegen der häufig überlappenden Symptomatik im klinischen Alltag nicht immer möglich ist. Eine Behandlungsdauer mit Medikamenten über 8 Wochen ist nur in den seltensten Fällen indiziert. Wie bei anderen Krankheitsbildern werden auch alternative Therapien v. a. als Eigenmedikation von Patienten eingesetzt, gleichwohl kontrollierte Untersuchungen zu vielen Therapieoptionen häufig fehlen bzw. negativ ausgefallen sind.

Dieses gilt nicht für die Phytotherapie. Die Phytotherapie ist mittlerweile eine feste und evidenzbasierte Therapiesäule in der Behandlung der FMS. In den letzten Jahren wurden zahlreiche placebokontrollierte Studien vorgelegt, in denen durch die Verabreichung von Phytotherapeutika einen signifikanten Effekt auf Symptome bei FMS im Vergleich zur Placebotherapie nachgewiesen wurde. Häufig kommen Kombinationspräparate in der Behandlung zum Einsatz. Neben Mixturen aus Bauernsenf (Iberis amara), Wermut, Enzian, Angelikawurzel, Melisse und Kamille kommen v.a. Kombinationen mit spasmolytisch und antimeteoristisch wirkenden Extrakten aus Pfefferminz- und Kümmelöl zum Einsatz. Auf der Basis der kontrollierten Studien werden Phytotherapeutika mittlerweile bei der Behandlung von FMS in den Leitlinien empfohlen [1].



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Article published online:
22 June 2021

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