Z Gastroenterol 2016; 54(02): 188
DOI: 10.1055/s-0042-102110
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Gesundheitspolitik 2016 – Nur Bedrohungen oder auch Chancen?

Franz Josef Heil
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Publication Date:
15 February 2016 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

was beschert uns die Gesundheitspolitik in 2016? Wir haben in den vergangenen zwei Jahren erlebt, dass Bundesgesundheitsminister Gröhe „nach Plan“ den Koalitionsvertrag abgearbeitet und dazu kräftig in die Gesetzeskiste gegriffen hat. Nun müssen viele der neuen gesetzlichen Bestimmungen umgesetzt werden, von KBV, KVen und vor allem dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), der neuen Supermacht im Gesundheitssystem. Ich hoffe, dabei wird man mit etwas mehr Ruhe und Besonnenheit vorgehen als bei der Gesetzgebung, auch wenn der Gesetzgeber oft enge Fristen gesetzt hat.

Wir haben die Neuregelung der Bedarfsplanung mit der inzwischen allseits bekannten „Soll“-Regelung zum Aufkauf von Facharztpraxen in „überversorgten“ Gebieten. Ich erinnere daran, dass ganz Deutschland angeblich von fachärztlichen Internisten „überschwemmt“ ist: Überall liegt der Versorgungsgrad über 150 Prozent! Nun wissen zwar alle Beteiligten, dass hier keine echte Überversorgung vorliegt, weil die Anhaltszahlen in der Bedarfsplanung mit medizinischem Bedarf überhaupt nichts zu tun haben, sondern mangels Planungsgrundlage nur durch Festschreibung eines veralteten Ist-Zustands entstanden sind.

Ich hoffe, dass bei der Neuregelung im G-BA Besonnenheit herrscht und die Vernunft sich durchsetzen kann. Doch auch wenn die Umsetzung des Gesetzes noch nicht abgeschlossen ist, so ist die Absicht des Gesetzgebers eindeutig: Die Zahl der Facharztpraxen und der niedergelassenen Fachärzte soll sinken.

Gleichzeitig wird aber erwartet, dass mit der schrumpfenden Zahl von niedergelassenen Fachärzten die Wartezeiten auf Termine sinken. Um das sicherzustellen mussten die KVen zum 23.01.2016 „Terminservicestellen“ (TSS) einrichten (und wir müssen sie bezahlen!). Inzwischen läuft das System, je nach KV unterschiedlich gestaltet. Ich bin gespannt, was daraus wird. Es ist in unserem Interesse, dass die KVen belegen können, dass die TSS nicht notwendig ist: Wir alle müssen – wie bisher schon – offen sein, dringliche Patienten kurzfristig zu untersuchen und zu behandeln. Es sollte selbstverständlich sein, dass jeder Facharzt mit den zuweisenden Ärzten ein kollegiales Netz hat, das den Umweg über die TSS unnötig macht. Um aber ein Abwandern der Patienten (und des Geldes) an die Krankenhäuser zu verhindern, sollte jeder von uns einige Termine an die TSS melden. Das können natürlich nur einfache, kurze Sprechstundentermine sein, in denen man die Weichen zu der evtl. erforderlichen weiteren Diagnostik und Therapie stellt. Da die TSS weder einen Wunschtermin noch einen Wunscharzt vermitteln kann, werden die Patienten vermutlich nicht sehr begeistert von der Sache sein. Dass der GKV-Spitzenverband dabei gleich wieder Bösartigkeit von KVen und Ärzten vermutet, entspricht dem üblichen Reflex der Kassen.

Auch wenn ich hoffe, dass die Bedarfsplanung nicht zu einer existentiellen Gefahr für die niedergelassenen Fachärzte und die TSS keine erfolgreiche Sache werden wird, darf man aber eine konsequente Zielrichtung der Gröhe-Gesetze nicht übersehen: Die Freiberuflichkeit, Planungssicherheit und Entwicklung der niedergelassenen Fachärzte wird eingeschränkt. Die Politik setzt im Gesundheitssystem offensichtlich nicht mehr auf Ärzte in freier Praxis. Vielmehr werden die Krankenhäuser gestärkt, die Sektorengrenze einseitig geöffnet und die ambulanten Behandlungen in den Krankenhäusern gefördert: Unbudgetierte Vergütung für die Behandlung von TSS-vermittelten Patienten, Portalpraxen an den Krankenhäusern, unbeschränkte Zulassung der Universitätsambulanzen, Aufhebung der Vergütungsabschläge für ambulante Behandlungen, Verbesserung der Vergütung der Notfallbehandlung in Krankenhäusern.

Ich meine, die Gesundheitspolitik geht hier einen völlig verkehrten Weg. Deutschland ist mit den Ärzten in freier Praxis bisher hervorragend gefahren. Die niedergelassenen Ärzte sichern die vermutlich am besten funktionierende ambulante ärztliche Versorgung weltweit, und das zu unvergleichlich niedrigen Preisen. Niedergelassene Ärzte wissen doch viel besser als die Krankenhäuser, wie man ambulante Medizin macht! Die Zusammenarbeit über die Sektorengrenze hinweg sollte deshalb nicht von der stationären Seite her geplant werden, sondern wir freiberuflichen Ärzte sollten Modelle entwickeln, wie wir unser funktionierendes Praxissystem in die Kliniken tragen können. Das wäre ein mutiger Schritt und würde erhebliche Strukturänderungen in den Krankenhäusern erforderlich machen. Ich will aber die Hoffnung nicht aufgeben, dass es gelingen kann, Krankenhäuser und Politik davon zu überzeugen, dass hier eine große Chance liegt. Im SpiFa (Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e. V.) haben wir uns auf den Weg gemacht, hier weiter zu kommen.


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