Dialyse aktuell 2016; 20(03): 107
DOI: 10.1055/s-0042-105534
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Frühlingsgefühle?

Christian Schäfer
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Publication Date:
15 April 2016 (online)

Im Tierreich steht der Frühling in unseren Breiten für die Aufzucht der Nachkommen, bietet er doch mit den länger werdenden Tagen nach dem Winter wieder mehr Energie in Form von Licht, Wärme und einem steigenden Nahrungsangebot. So können Elterntiere ihre Jungtiere möglichst erfolgreich versorgen und ihre Gene an die nächste Generation weitergeben. Dies ist im Gefüge der evolutionären Prozesse einer der Schlüsselfaktoren, um das ununterbrochene, weit verzweigte Netzwerk an Vor- und Nachfahren zu garantieren, das letztendlich auch zu uns Menschen geführt hat. Nachwuchssicherung ist somit essenziell. Dies gilt aber nicht nur in der Biologie, sondern auch im Gesundheitssektor: Wer sich nicht um den Nachwuchs kümmert, wird in der Zukunft Probleme bekommen.

Im „Ausbildungsreport Pflegeberufe 2015“ hat ver.di nun ein wenig schmeichelhaftes Bild der Situation von Auszubildenden in der Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege sowie Kinderkrankenpflege gezeichnet: So sind nur 58,5 % mit ihrer Ausbildung zufrieden – im Vergleich zum Durchschnitt anderer Ausbildungsberufe mit 71,5 % Zufriedenen. Die Ausbildungsplanung kommt für ca. ein Drittel der Befragten zu kurz, denn sie existiert in diesen Fällen entweder nicht oder ist den Azubis nicht bekannt. Ein großer Anteil von 42,6 % fühlt sich überwiegend nicht oder nicht gut angeleitet, was eine Steigerung von über 7 % im Vergleich zur Befragung 2012 bedeutet. Zwar dürfen Azubis nur ausnahmsweise Überstunden leisten, allerdings macht knapp ein Drittel der Befragten gemäß deren Angaben regelmäßig Überstunden. Zudem werden etwa 3 Viertel der Umfrageteilnehmer bis zu 5-mal pro Halbjahr kurzfristig auf eine andere Station versetzt. Fast ein Drittel der befragten Azubis fühlt sich durch die Ausbildungsbedingungen immer oder häufig belastet. Insgesamt weisen diese Aussagen laut ver.di auf eine zunehmende Arbeitsverdichtung und Unterbesetzung in der Pflege hin.

Leider hapert es laut den Umfrageergebnissen auch bei den Arbeitsmitteln, die den Azubis eigentlich kostenfrei zustehen: So erhalten nur knapp 30 % die notwendigen Fachbücher kostenlos. Der Unterricht fällt bei 9,1 % der Befragten häufig aus, was 3,5 % mehr als 2012 ist. Ein großes Problemfeld ist auch die Koordination von Theorie und Praxis, die mehr als die Hälfte der befragten Azubis als schlecht aufeinander abgestimmt empfinden. Insgesamt haben sich 3410 Auszubildende aller Ausbildungsjahre aus 13 Bundesländern an der schriftlichen Befragung beteiligt und in die Auswertung gingen u. a. die jeweiligen Berufe entsprechend ihres Anteils an Auszubildenden ein. Laut ver.di ist die Umfrage daher als repräsentativ für die derzeit etwa 137 000 Azubis in der Pflege anzusehen.

Frühlingsgefühle kommen beim Betrachten der Situation wahrlich nicht auf, der Nachwuchs wird hier sträflich vernachlässigt. Das „System Pflege“ hat einen gründlichen Frühjahrsputz vonnöten, will man nicht noch weiter in Probleme wie den Pflegekräftemangel schlittern. Man kann in dieser Situation schon von echten Systemfehlern sprechen. Diese gibt es gewissermaßen auch, wenn Menschen von sog. Systemerkrankungen betroffen sind. In dieser Ausgabe der Dialyse aktuell möchten wir Ihnen einen Überblick über dieses Krankheitsspektrum mit dem Fokus auf Nierenbeteiligungen geben. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre dieser und natürlich auch der anderen Beiträge des vorliegenden Heftes!