TumorDiagnostik & Therapie 2016; 37(04): 210-214
DOI: 10.1055/s-0042-106803
Thieme Onkologie aktuell
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gibt es eine Pflicht zur Gesundheit? Zu den ethischen Grenzen medizinischer Prävention

Exists an obligation to be healthy? Ethical limits of medical prevention
K. Arntz
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Publication Date:
24 May 2016 (online)

Zusammenfassung

Eine Pflicht zur Gesundheit im Sinn eines kategorischen Imperativs: „Du musst dein Leben ändern!“ (P. Sloterdijk) gibt es nicht. Sehr wohl jedoch eine moralische Verantwortung dafür, das eigene Leben in vernünftiger Weise so zu gestalten, dass die damit eröffneten Entfaltungsmöglichkeiten im Rahmen der eigenen Möglichkeiten verwirklicht werden (I. Kant). Am Beispiel der prädiktiven Medizin wird verdeutlicht, warum das Recht auf Nichtwissen eine verantwortete Weise der Selbstbestimmung im Umgang mit den Wissensbeständen der modernen Biomedizin sein kann. Dadurch werden Grenzziehungen bei der Prävention möglich, welche die Lebensqualität der Betroffenen bewahren und dem Einzelnen die „Annahme seiner selbst“ (R. Guardini) ermöglichen.

Abstract

An obligation to be healthy in the sauce of a categorical imperative „You shall change your life!“ (P. Sloterdijk) does not exist. There is however a moral responsibility to shape ones own life in such a way that the resulting potentials for development can be realized within one owns possibilities (I. Kant). The example of predictive medicine illustrates, why the right not to know can be a responsible way of self governance when dealing with the knowledge of modern biomedicine. This allows the setting of limits within prevention, which preserve the quality of life of the exposed as well as enabling the individual the “acceptance of self” (R. Guardini).

 
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