Der Klinikarzt 2016; 45(05): 237
DOI: 10.1055/s-0042-107940
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Software zur Diagnosefindung in der Inneren Medizin

Josef König
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Publication Date:
02 June 2016 (online)

Gegenwärtig erleben wir die Geburtsstunde einer medizinischen Revolution, die einmal rückblickend in einer Linie mit Durchbrüchen wie der Identifizierung von Mikroben als Erreger von Infektionserkrankungen oder der Entdeckung der Doppelhelixstruktur der DNA durch Watson und Crick genannt werden wird. Dieser Fortschritt wird durch den zunehmenden Einsatz von Software in Diagnose und Therapie möglich werden und damit wird ein kompletter Wandel des ärztlichen Berufsbildes verbunden sein. Ausgangspunkt dieser Entwicklung ist die Tatsache, dass uns heute eine noch nie dagewesene Informationsfülle zur Verfügung steht. In Zukunft werden bei der Suche nach der richtigen Diagnose und Therapie u.a. folgende Informationsquellen Berücksichtigung finden: Familien-, Eigen-, Reise-, Medikamentenanamnese, aktuelle „life parameter“ und Laborwerte, die Analyse des gesamten Patientengenoms bzw. das einer eventuell vorliegenden Krebserkrankung sowie jenes der verschiedenen Metastasen. Zusätzlich können die Biochemie und die Genetik des jeweiligen Microbioms in die Auswertung mit einbezogen werden [1]. Vonseiten der Wissenschaft werden alle relevanten publizierten Studienergebnisse und Leitlinien in die Entscheidungsfindung eingehen. Die Speicherung, Verarbeitung und Interpretation solch riesiger Datenmengen, die im Giga-, Tera- und Petabyte-Bereich liegen, wird mit dem Begriff „big data“ bezeichnet und sie wurde durch die exponentiellen Fortschritte in der Leistungsfähigkeit der Computertechnologie möglich.

In dieser klinikarzt-Ausgabe stellen Marquardt et al. die gegenwärtigen IT-Möglichkeiten sowohl im Klinikum als auch in ihrer Erweiterung im Sinne einer Netzwerkmedizin dar. Diese ermöglicht einen Datenaustausch im gesamten Behandlungsnetz, in dem sich der Patient befindet. Müller et al. gehen auf Computersysteme in der Differenzialdiagnose ein. Bei Programmen wie ISABEL [2] werden bereits jetzt etwa 11000 Diagnosen berücksichtigt. Ich werde Datenbanken aus der Hämato-Onkologie vorstellen, beginnend bei bibliografischen Datenbanken über Faktendatenbanken, Datenbanken der „evidence based medicine“, Leitlinien, Kompetenznetze bis zu „Point of Care-Systemen“ wie UpToDate [3], das – die Onkologie einschließend – 23 medizinische Fachgebiete durch etwa 6000 Autoren ständig auf dem neuesten Stand präsentiert. Abschließend werde ich auf zukünftige hochintegrative Datenbanken hinweisen. Auf diesem Gebiet engagieren sich derzeit Firmen der IT-Branche wie SAP mit der HANA-Technologie (in Zusammenarbeit mit der Charité) [4] und IBM mit der WATSON-Technologie (in Kooperation mit dem Memorial Sloan Kettering Cancer Center) [5]. Letztere wird in einem weiteren Artikel dieses Heftes von Reumann et al., IBM-Research, Zürich, erläutert werden. Auf die individualisierte Medizin beginnen sich nun auch Pharmafirmen zu spezialisieren [6] – wie das Beispiel der Kooperation von ROCHE und FOUNDATION MEDICINE [7] zeigt. Die auch als „precision medicine“ bezeichnete Richtung wurde in den USA als so wichtig erkannt, dass Präsident Obama sie mit einer eigenen „Precision Medicine Initiative“ [8] des Weißen Hauses vorantreibt. Wir dürfen auf die weitere Entwicklung dieses dynamischen Forschungsgebietes gespannt sein. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Lesevergnügen.