Dtsch Med Wochenschr 2017; 142(01): 1
DOI: 10.1055/s-0042-108659
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Granulomatöse Systemerkrankungen – eine differenzialdiagnostische Herausforderung

Granulomatous systemic diseases – a differential diagnostic challenge
Christian Grohé
,
Elisabeth Märker-Hermann
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Publication Date:
05 January 2017 (online)

Liebe Leserinnen und Leser,

unter einem Granulom versteht man eine histopathologisch und immunologisch definierte, chronisch inflammatorische Reaktionsform des Gewebes. Histologisch handelt es sich um eine fokale Aggregation von Makrophagen bzw. Histiozyten, wobei letztere häufig als „epitheloid“ beschrieben werden: Sie haben elongierte, Schuhsohlen-artige Zellkerne, unscharfe Zellkonturen und neigen zur Bildung von mehrkernigen Riesenzellen. Neben dem Aggregat von Histiozyten können Nekrosen, Lymphozyten und Plasmazellen im Granulom vorhanden sein. Die aktive Formation eines Granuloms mit Bildung von Chemokinen und Zytokinen durch ortständiges Gewebe und infiltrierende Leukozyten führt dazu, dass Fremdkörper oder Erreger wie Mycobakterien am Ort der Infektion wallartig isoliert werden und die entzündliche Immunantwort zunächst lokalisiert bleibt. Der Pathologe erhält granulomhaltige Gewebe zumeist aus der Haut bzw. Unterhaut, Lymphknoten oder der Lunge.

Granulomatosen stellen eine faszinierende Gruppe teils sehr unterschiedlicher Systemerkrankungen dar. Die differenzialdiagnostischen Überlegungen zur sicheren Zuordnung des Krankheitsbildes gehören sowohl zu den Herausforderungen als auch zum Rüstzeug des klinisch Tätigen. Drei Krankheitsentitäten haben wir für das Dossier in diesem Heft für Sie ausgewählt.

Der Artikel von C. Pizarro et al. (S. 17) beschäftigt sich mit der Sarkoidose, einem klassischen „Chamäleon“ der Medizin mit Befall der Lunge und Lymphknoten sowie prinzipiell multipler anderer Organsysteme wie Haut, Augen, Knochen, Herz oder Nervensystem. Hier werden neue Beobachtungen zur Diagnostik und Therapie diskutiert, um mögliche Auswirkungen chronischer Verläufe zu minimieren.

Der zweite Beitrag von A. Kerstein und Kollegen (S. 24) umfasst die wichtigen rheumatologisch-immunologischen Überlegungen nicht-infektiöser granulomatöser Systemerkrankungen. Die Granulomatose mit Polyangiitis (GPA), früher als Morbus Wegener bezeichnet, ist histopathologisch durch die pathognomonische Trias von Parenchymnekrosen, granulomatöser Entzündung und Vaskulitis gekennzeichnet. Der stadienhafte Verlauf mit locoregionärer, früh-systemischer und generalisierter Manifestation erfordert eine frühe Diagnose und stadienadaptierte Behandlung. Die Arbeit unterstreicht die zentrale Bedeutung des interdisziplinären Austausches (Rheumatologie, Nephrologie, Pneumologie, HNO) zur spezifischen Zuordnung von Organsymptomen vor Einleitung einer differenzierten Therapie.

Infektiologische Ursachen einer systemischen Granulomatose sind nicht nur spannend in Bezug auf differenzialdiagnostische Überlegungen, sondern als Folge der auch in Westeuropa deutlich steigenden Inzidenz von Mycobakteriosen und vermehrter opportunistischer Pilzinfektionen von besonders aktueller Bedeutung. Eine exakte Diagnose der Infektionsursache gelingt im Austausch mit spezialisierten Internisten, Mikrobiologen und Pathologen und unter Berücksichtigung der Referenzzentren. Dieser ebenfalls hoch interessante Beitrag wird von D. Grund et al. (S. 32) mit einem Focus auf die Differenzialdiagnostik der unterschiedlichen Granulom-induzierenden Erreger vorgestellt. Therapeutische Maßnahmen sind häufig von langfristig angelegt und bedürfen einer kontinuierlichen Interaktion, um einen dauerhaften Therapieerfolg zu sichern.

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre in einem der facettenreichsten Gebiete der Medizin und hoffen, dass Sie wertvolle und praxisorientierte Eindrücke in Ihren klinischen Alltag mitnehmen können!

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Prof. Dr. med. Christian Grohé
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Prof. Dr. med. Elisabeth Märker-Hermann