Zeitschrift für Palliativmedizin 2017; 18(01): 28
DOI: 10.1055/s-0042-123462
Perspektiven
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Publication Date:
25 January 2017 (online)

Liebe Leserinnen und Leser,

der Gang zum Rentenamt vor 10 Jahren fiel mir schwer. Mein Mann war vor wenigen Tagen gestorben; das musste ich bei der Behörde melden. Die noch recht junge Frau empfing mich freundlich. Als ich den Grund meines Termins nannte, antwortete sie: „Dann sind Sie jetzt also Witwer.“ An diesen Satz erinnere ich mich genau. Es klang normal, auch wenn für mich nichts mehr normal war. Ich musste mich erst an eine neue soziale Rolle gewöhnen. Aber die Frau vom Amt reagierte routiniert, nicht ohne Mitgefühl, aber sortierend und orientierend: damit können wir (von Amts wegen) umgehen. In ihrer Welt ist Trauer normal. Der Psychotherapeut, an den ich mich wenige Wochen später wandte, empfing mich auf andere Weise. Um eine längere Begleitung möglich zu machen, musste er mich krankschreiben und diagnostizierte eine Depression, auch wenn ich mich überhaupt nicht depressiv fühlte. Ich war froh, dass die Sitzungen finanziert waren und ich für eine Zeit von der Arbeit befreit war. Dass die Diagnose bei arbeitsrechtlichen Fragen – etwa einer Verbeamtung – Folgen hätte haben können, machte ich mir nicht klar. Ich wollte nur gute und kompetente Begleitung. Die Frage, ob und wie und welche Erscheinungsform von Trauer als gesundheitsrelevant klassifiziert werden soll, betrifft uns nicht nur professionell, sie betrifft den einen oder die andere früher oder später auch persönlich. Das ist kein bequemer Gedanke. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen unbequeme, aber gute Lektüre: Johannes Albrecht und Norbert Mucksch haben sich auf einen herausfordernden Diskurs eingelassen.

Ihr Traugott Roser