Zeitschrift für Palliativmedizin 2022; 23(05): e50-e51
DOI: 10.1055/s-0042-1754139
Abstracts | DGP
Freie Themen

Die Trauer der Angehörigen in Palliative Care beschützen. Zur Bedeutung der palliativen Begleitung für das individuelle Verlusterleben – mit Fokus auf die Emotionsregulation und Beziehungsqualität

IM Vinatzer
1   Universität Innsbruck, Institut für Psychologie, Innsbruck, Österreich
,
HR Bliem
1   Universität Innsbruck, Institut für Psychologie, Innsbruck, Österreich
,
B Juen
1   Universität Innsbruck, Institut für Psychologie, Innsbruck, Österreich
› Author Affiliations
 

Hintergrund Angehörige erleben zusammen mit der/dem Erkrankten die Behandlungszeit von der Diagnose bis zum Tod. Besonders der Übergang von kurativ zu palliativ und die Sterbephase sind von antizipiertem Verlust und Trauer gekennzeichnet. Vorhersehbarer Verlust durch Erkrankung gilt nicht als Risikofaktor für anhaltende Trauer, die restriktive Situation der Covid-19-Pandemie hingegen schon [1] [2] [3] [4]. Die psychologische Dissertation erforscht das Zusammenwirken von a) Zufriedenheit mit der palliativen Begleitung und b) individuellen Trauervariablen – im Vergleich zum Kontext ohne Palliative Care.

Methode Die Kombination leitfadengestützter Interviews (multiprofessionelle Expert:innen), Online-Erhebung und narrativer Interviews (jeweils Angehörige) zielt auf eine Triangulation: Qualitative Inhaltsanalyse mit MAXQDA nach Kuckartz und Rädiker sowie statistische Analysen mit SPSS. Die Rekrutierung fand in Österreich, Südtirol/Italien, Deutschland, Schweiz statt. Der geschützte Zugang zum Online-Fragebogen und die Interviewkontakte zu Angehörigen wurden über Fachpersonen vermittelt.

Ergebnisse Die Datenerhebung (2020–2021) ergab: Interviews mit Expert:innen (v.a. face-to-face, n= 34); Angehörigenbefragung a) Online-Erhebung (n= 112), b) narrative Interviews (v.a. digital, n= 6). Die Trauer wurde über die Skala PG-13 erfasst; weder Mittelwert noch anhaltende Trauer (n= 8) stehen im Zusammenhang mit der Begleitung. Die Zufriedenheit ist signifikant höher/besser (p< ,001) mit Begleitung durch ein Palliative-Care-Team (n= 79) vs. ohne (n= 33), ebenso die Emotionsregulation (Reappraisal, p= ,011) und die Beziehungsqualität zur/zum Sterbenden (letzte Monate, p= ,040; letzte Tage, p= ,009). Das qualitative Kategoriensystem und die quantitativen Ergebnisse zum Erleben der Angehörigen stimmen überein. Die Korrelation zwischen Begleitung und Zufriedenheit ist signifikant (p< ,001). Während der Covid-19-Pandemie ereigneten sich 46% der Verluste, 54% vorher – hier zeigen sich keine signifikanten Unterschiede.

Schlussfolgerung Die Ergebnisse der Studie unterstreichen die Wichtigkeit einer guten palliativen Begleitung der Angehörigen: v.a. Vermittlung von Sicherheit, transparente und verständliche Kommunikation, genaue medizinische Erklärungen, sich als Person wahrgenommen fühlen. Das Auftreten von anhaltender Trauer trotz Begleitung durch ein Palliative-Care-Team widerspricht der Annahme einiger interviewter Expert:innen und verweist auf die Bedeutung individueller Faktoren, wobei niedrige Werte beim Kohärenzgefühl auffallen.



Publication History

Article published online:
31 August 2022

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  • References

  • 1 Killikelly C, Smid GE, Wagner B, Boelen PA. 2021; Responding to the new International Classification of Diseases-11 prolonged grief disorder during the COVID-19 pandemic: a new bereavement network and three-tiered model of care. Public Health 191: 85-90 DOI: 10.1016/j.puhe.2020.10.034.
  • 2 Münch U, Müller H, Deffner T, Von Schmude A, Kern M, Kiepke-Ziemes S, Radbruch L. 2020; Empfehlungen zur Unterstützung von belasteten, schwerstkranken, sterbenden und trauernden Menschen in der Corona-Pandemie aus palliativmedizinischer Perspektive. Schmerz 34: 303-313 DOI: 10.1007/s00482-020-00483-9.
  • 3 Van der Houwen K, Stroebe M, Stroebe W, Schut H, Van den Bout J, Wijngaards-de Meij L. 2010; Risk factors for bereavement outcome: a multivariate approach. Death Studies 34 (03) 195-220 DOI: 10.1080/07481180903559196.
  • 4 Znoj HJ. 2018; Trauer ist ein komplexes Phänomen. Die Psychologie des Verlusterlebens. NeuroTransmitter 29 (10) 28-34 DOI: 10.1007/s15016-018-6499-1.