Suchttherapie 2022; 23(S 01): S12
DOI: 10.1055/s-0042-1755971
Abstracts
S08: Drogenpolitik

Einschränkungen des Alkoholmarketings. Rechtliche Rahmenbedingungen

M Zöckler
1   Ludwig-Maximilians-Universität München, München
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Einleitung Auf der Basis der Globalen Alkohol Strategie (2010) empfiehlt die WHO als Präventionsmaßnahmen u.a. Einschränkungen der Verfügbarkeit, höhere Steuern und insbesondere Verbote bzw. Einschränkungen bei Werbung und Vermarktung von Alkohol. Werbewirtschaft und Alkoholindustrie stützen ihren Kampf gegen Gesundheitswarnhinweise und Beschränkungen ihrer kommerziellen Kommunikation auf Studien, die Effektivität und Wirkungsgrad dieser Präventionsmaßnahmen in Frage stellen. Ebenso wie bei Regulierungen von Tabakvermarktung und Glücksspiel unterfüttern diese Argumente eine juristische Strategie, die Regulierungen der Alkoholvermarktung als rechtswidrige staatliche Eingriffe in Meinungsfreiheit, Markenrechte oder freien Waren- und Dienstleistungsverkehr brandmarken. Die rechtliche Beurteilung der verhältnispräventiven Alkoholpolitik stellt sich heute sowohl für nationale Regulierungsakteure, als auch im Europarecht, der Welthandelsorganisation und im internationalen Investitionsschutz. Vor dem Hintergrund neuester Forschungsergebnisse zu Schäden des Alkoholkonsums und der Anerkennung staatlichen Schutzpflichten bei Public Health Problemen, soll die rechtliche Zulässigkeit von Regulierungen der kommerziellen Kommunikation für Alkohol geprüft werden.

Material und Methodik Da letztlich Gerichte bzw. Schiedsgerichte über die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Verhältnisprävention entscheiden, sollen zum einen bereits vorliegende Urteile zur Alkoholwerbung untersucht werden (z.B. aus Frankreich, Litauen). Zum anderen werden aus Urteilen und Schiedssprüchen zur Tabakwerbung im Wege der Analogie Schlussfolgerungen zu vergleichbaren Konstellationen der Alkoholprävention extrapoliert (z.B. Verfassungsgerichte, EuGH, WTO-Streitbeilegung, Investitionsschiedsgerichte). Die Auswertung der Judikatur konzentriert sich auf die Relevanz evidenzbasierter Einschätzungen zur Effektivität von Präventionsmaßnahmen und zugestandene Beurteilungsspielraum der Regulierer.

Ergebnisse Eine Analyse des Verfassungsrechts sowie europäischer und internationaler Menschenrechte zeigt, dass Beschränkungen der Alkoholwerbung zwar Grundrechtseingriffe darstellen, die aber als legitime Maßnahmen z.B. zur Verwirklichung gesundheitspolitischer Zwecke gerechtfertigt sind. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung bleiben evidenzbasierte Aussagen zur Effektivität von Präventionsmaßnahmen ein wichtiger Baustein, wobei Regulierern bei Prognoseentscheidungen ein erheblicher Beurteilungsspielraum zukommt.

Zusammenfassung Als Alternative zu strengeren rechtlichen Regulierungen des Marketings für Alkohol werden Selbstbeschränkungen in der Alkoholwerbung und Präventionskampagnen zum verantwortungsvollen Alkoholkonsum propagiert. Weitere Studien zur eingeschränkten Wirksamkeit solcher Kampagnen könnten die Notwendigkeit strikterer rechtlicher Beschränkungen des Alkoholmarketing untermauern.



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Article published online:
30 August 2022

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