Suchttherapie 2022; 23(S 01): S45
DOI: 10.1055/s-0042-1756069
Abstracts
S33: Drogenkonsum im Kontext Haft – Daten, Trends und neue Erkenntnisse

Konsum neuer psychoaktiver Substanzen in Haft – Erkenntnisse aus dem EU-Projekt "NPS-Prison"

B Werse
1   Goethe-Universität Frankfurt, Frankfurt am Main
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Einleitung Seit etwa Jahren häuften sich in Deutschland und anderen europäischen Ländern Berichte über den verbreiteten Konsum neuer psychoaktiver Substanzen (NPS) in Gefängnissen. Abgesehen von Fallberichten über teils lebensbedrohliche Überdosierungen und Ergebnisse von gezielt durchgeführten Tests auf solche nicht standardmäßig detektierten Stoffe existierten bis dato keine empirischen Erkenntnisse zu diesem Thema. Das EU-Projekt "NPS-Prison" hatte es sich zwischen 2018 und 2021 zur Aufgabe gemacht, Näheres über das Phänomen, dessen Verbreitung, die Reaktionen von Häftlingen und Personal sowie Präventionsmöglichkeiten zu erfahren.

Material und Methodik Das EU-Projekt mit deutscher, ungarischer und polnischer Beteiligung hatte eine systematische Erhebung des NPS-Konsums in Gefängnissen zum Ziel. Dabei sollten Urinanalysen, qualitative Interviews mit Gefängnispersonal sowie Fokusgruppen-Interviews mit Inhaftierten durchgeführt werden. Auf Basis der Erkenntnisse wurden Präventionsmaßnahmen entwickelt und erprobt. Aufgrund von Hindernissen in der Verwaltung sowie der im Verlauf der Erhebung einsetzenden Corona-Pandemie konnten die Erhebungen nur in eingeschränktem Rahmen durchgeführt werden.

Ergebnisse Drogen spielen innerhalb von JVAen oftmals generell eine wichtige Rolle, um die Situation 'auszuhalten'. NPS – in erster Linie synthetische Cannabinoide – werden u.a. aufgrund der schwierigen Detektierbarkeit in vielen (aber nicht allen) Gefängnissen häufig konsumiert, was spezifische Risiken mit sich bringt. Es findet zwar allgemein eine gute sozialarbeiterische Betreuung statt, aber über Risiken des NPS-Konsums wird kaum aufgeklärt.

Zusammenfassung Auf Basis der Ergebnisse wird empfohlen, bessere Prävention für potenziell NPS Konsumierende in Gefängnissen anzubieten. Darüber hinaus wurden im Verlauf der Forschungen die generell bestehenden Problematiken von Drogen konsumierenden Menschen in Haft deutlich: So stellt sich für viele das Problem unzureichender oder nicht möglicher Opioidsubstitution; zudem landen Drogen Konsumierende besonders häufig aufgrund von Ersatzfreiheitsstrafen, u.a. für Bagatelldelikte, in der JVA. Diese Praxis ist gerade angesichts der Folgeprobleme mit Drogen in Haft dringend zu überdenken.



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Article published online:
30 August 2022

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