Suchttherapie 2022; 23(S 01): S48-S49
DOI: 10.1055/s-0042-1756079
Abstracts
S36: Verhaltensstörungen

Störung mit zwanghaftem Sexualverhalten: Ein systematischer Review zum aktuellen Stand der Evidenzlage

C Eberl
1   Deutsche Hochschule für Gesundheit und Sport, Berlin
,
P Sleczka
1   Deutsche Hochschule für Gesundheit und Sport, Berlin
2   Privatuniversität Schloss Seeburg, Seekirchen am Wallersee
,
M Hess
1   Deutsche Hochschule für Gesundheit und Sport, Berlin
,
U Buchner
1   Deutsche Hochschule für Gesundheit und Sport, Berlin
› Author Affiliations
 

Einleitung Die zwanghafte sexuelle Verhaltensstörung (compulsive sexual behavior disorder [CSBD]) wird in der ICD-11 bei den Impulskontrollstörungen klassifiziert. Auch wenn die ICD-11 eine Einordnung als Zwang ausschließt, ist die Diskussion um die nosologische Verortung des Störungsbildes noch lange nicht abgeschlossen: Es besteht nach wie vor Unklarheit über die Konzeptualisierung als Impulsivität, Verhaltenssucht oder als Ausdruck normalen Verhaltens. Die zahlreichen Studien zur CSBD machen nur selten eindeutige Aussagen zur Einordnung, etwa mit der nosologischen Zuordnung zu Sucht. Ziel dieses systematischen Reviews ist, die aktuelle Studienlage zur CSBD darzustellen und Hinweise zu identifizieren, die für eine Verortung als Impulskontrollstörung beziehungsweise als (Verhaltens-)Sucht sprechen.

Material und Methodik In den Datenbanken PubMed, PsycInfo und PsycArticles wurden qualitative und quantitative Studien mit Fokus auf das Zustandsbild von CSBD identifiziert und getrennt ausgewertet. Übersichtarbeiten wurden ausgeschlossen.

Ergebnisse Die Evidenzlage für eine nosologische Zuordnung der CSBD ist nach wie vor gemischt; die Ergebnisse unterscheiden sich insbesondere in Abhängigkeit des methodischen Zugangs. Quantitative Studien finden Zusammenhänge zu psychologischen Konstrukten, wie externaler sexueller Kontrolle oder Sexualangst, und geben Ausdrucksformen sexueller Verhaltensweisen und Komorbiditäten wieder. Hierbei finden sich etwa bei Impulsivitätsmessungen keine Unterschiede zwischen Impulskontrollstörungen, CSBD und stoffgebundenen Süchten. In qualitativen Studien lassen sich Hinweise identifizieren, die für eine Verhaltenssucht sprechen, wie etwa Kontrollverlust, Fortführen des Verhaltens trotz negativer Konsequenzen, Vorliegen des Verhaltens über einen längeren Zeitraum, Vernachlässigung anderer Aktivitäten, subjektiver Leidensdruck sowie eine Beeinträchtigung von familiären, sozialen und beruflichen Funktionsbereichen.

Zusammenfassung Die qualitativen Ergebnisse legen eine Zuordnung zu Verhaltenssüchten gemäß ICD-11 nahe. Für eine endgültige Zuordnung sind weitere Studien notwendig, die etwa mittels kriteriengeleiteter Fragebögen die Lücke zwischen quantitativer und qualitativer Forschung schließen und somit unter anderem eine Basis für die Entwicklung von Screening-Instrumenten darstellen.



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Article published online:
30 August 2022

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