Zusammenfassung
Viele Augenerkrankungen können erblich bedingt sein und weisen oft eine ausgeprägte
genetische Heterogenität auf, d. h. sie können durch Mutationen in vielen verschiedenen
Genen verursacht werden. Dies trifft besonders auf die Netzhautdystrophien zu: Mehr
als 200 Gene sind für die isolierten Formen (z. B. Lebersche kongenitale Amaurose,
Retinitis pigmentosa, Zapfen-Stäbchen-Dystrophie, kongenitale stationäre Nachtblindheit)
und für Syndrome, bei denen zusätzlich Dysfunktionen oder Fehlbildungen anderer Organsysteme
vorliegen, bekannt. Die gezielte Auswahl einzelner Gene für die Diagnostik war bislang
schwierig und ihre Analyse mit der DNA-Sequenzierung nach der Sanger-Methode extrem
aufwendig: Das Krankheitsbild lässt selten einen Rückschluss auf das betroffene Gen
zu, und die Häufigkeiten von Mutationen der einzelnen Gene etwa bei der LCA waren
nur unzureichend bekannt. Umfassende molekulargenetisch-diagnostische Abklärungen
waren daher in den meisten Fällen nicht möglich. Die unter dem Sammelbegriff Next-Generation
Sequencing (NGS) zusammengefassten Verfahren der Hochdurchsatzsequenzierung haben
innerhalb weniger Jahre zunächst die humangenetische Forschung und dann die molekulargenetische
Diagnostik revolutioniert. Dies hat weitreichende Implikationen für die individuelle
Betreuung und Beratung von Patienten mit erblichen Augenerkrankungen und deren Familien.
Abstract
Many eye diseases have a genetic basis, and most can be caused by mutations in many
different genes (extensive genetic heterogeneity). The retinal dystrophies are a good
example: More than 200 genes have been identified for the isolated forms (Leberʼs
congenital amaurosis, retinitis pigmentosa, cone-rod dystrophy, congenital stationary
night blindness), and for syndromes that comprise additional dysfunctions or malformations
of extraocular tissues and organs. Selecting genes for diagnostic testing has been
difficult, and their analysis with the hitherto predominant DNA sequencing method
(Sanger sequencing) has been extremely laborious: The phenotype rarely indicates the
affected gene, and the contributions of the particular genes to the disease (e.g.,
to LCA) were largely unknown. Consequently, comprehensive genetic analyses were impossible
in most cases. In the recent years, high-throughput sequencing technologies, summarized
as next-generation sequencing (NGS), have revolutionized genetic research and, subsequently,
genetic diagnostics. The latter has far-reaching implications for the individual management
of patients with genetic eye diseases and their families.
Schlüsselwörter
Genetik - Retina - Genom - Exom - Next-Generation Sequencing
Key words
genetics - retina - genome - exome - next-generation sequencing