Z Sex Forsch 2017; 30(02): 204-207
DOI: 10.1055/s-0043-108265
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Publication Date:
23 June 2017 (online)

Amanda H. Littauer. Bad Girls. Young Women, Sex, and Rebellion before the Sixties. Chapel Hill, NC: The University of North Carolina Press 2015. 259 Seiten, USD 27,95

Die „bösen Mädchen“, denen sich Amanda Littauer in ihrer Monografie widmet, leben als Jugendliche und junge Frauen in den 1940er- und 1950er-Jahren in den USA. Doch anstatt sich der damals vorherrschenden Sexualmoral zu unterwerfen und mit dem Sex auf die heterosexuelle Ehe zu warten, suchen sie aktiv nach sexuellem Vergnügen: Sie besuchen Bars, stürzen sich ins Nachtleben. Sie haben Affären mit Männern und/oder mit Frauen. Und sie probieren eine Reihe von sexuellen Praktiken aus. Die Autorin ist als Assistenzprofessorin für Geschichte und Frauen-, Geschlechter- und Sexualforschung an der Northern Illinois University tätig. Sie will mit ihrer historischen Analyse aufzeigen, dass und wie die sexuelle Revolution der 1960er- und 1970er-Jahre durch Mädchen und junge Frauen vorbereitet wurde, die sich in den Dekaden zuvor schon öffentlich sichtbar den konservativen sexuellen Moralvorstellungen und Geschlechternormen widersetzten.

Das Buch greift dabei nach einer Einführung (Kapitel 1) in Einzelkapiteln vier Gruppen von „sexuellen Rebellinnen“ heraus: Die so genannten „Victory Girls“ waren unverheiratete sowie verheiratete, schwarze wie weiße junge Frauen in den USA, die während des 2. Weltkriegs unter dem Vorzeichen bzw. Vorwand des Patriotismus den US-Soldaten vor ihrem Einsatz oder beim Fronturlaub Gesellschaft leisteten (Kapitel 2). Sie verließen ihre Herkunftsfamilien und Heimatorte, reisten in Hafenstädte, genossen – wie historische Dokumente zeigen – ausdrücklich die sexuellen Abenteuer mit „Männern in Uniform“. Die „B-Girls“ (Bar-Girls) waren als Animierdamen in Bars tätig, bewegten sich also regelmäßig im Nachtleben und hatten dabei teils kommerzielle und teils private Sexualkontakte mit Gästen (Kapitel 3). Vom überkommenen Frauenbild distanzierten sich schließlich auch diejenigen Frauen, die sich z. B. mit Leserbriefen an Zeitungen in die öffentliche Debatte rund um den 1953 erschienenen Kinsey-Report zum sexuellen Verhalten der Frau einschalteten, oder die Kinsey direkt anschrieben und dabei offen von ihren sexuellen Interessen und Erfahrungen berichteten (Kapitel 4). Nicht zuletzt betrachtet die Autorin die Lebenswege der Mädchen und Frauen in den USA, die in den 1950ern in den ersten (halblegalen) Lesben-Bars und Lesben-Organisationen oder auch im privaten Umfeld Liebes- und Sexualpartnerinnen fanden und damit Nicht-Heterosexualität sichtbar machten (Kapitel 5).

Die historische Rekonstruktion der Lebensweisen dieser „sexuellen Rebellinnen“ basiert auf Interviews, Zeitungsartikeln und Behördendokumenten. Dabei wird deutlich, um welchen Preis sich die dargestellten schwarzen wie weißen Mädchen und Frauen in den 1940ern und 1950ern in New York oder San Francisco sexuelle Freiheiten eroberten, mit welchen Formen der Stigmatisierung, Pathologisierung und Kriminalisierung sie zu kämpfen hatten. Ebenso waren sie mit sexualisierter Gewalt, ungeplanten Schwangerschaften und sexuell übertragbaren Infektionen konfrontiert. Das sechste und letzte Kapitel schlägt den Bogen zu aktuellen Herausforderungen sexueller Autonomie bei Mädchen und Frauen. Das Buch ist gut lesbar, liefert interessante historische Einblicke, weist auf Forschungslücken hin und unterstreicht die These einer „langen sexuellen Revolution“.

Nicola Döring (Ilmenau)