Z Gastroenterol 2017; 55(05): 516-517
DOI: 10.1055/s-0043-109479
Mitteilungen der Gastro-Liga
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„Auf den Punkt gebracht“

Darmkrebsscreening in Deutschland – Rolle der immunologischen Stuhltests
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Publication Date:
12 May 2017 (online)

Darmkrebs ist und bleibt eine der häufigsten Krebserkrankungen. Es konnte gezeigt werden, dass durch die Abtragung präneoplastischer Adenome eine Darmkrebsentstehung verhindert werden kann im Sinne einer Primärprävention. Die effektivste Methode der Darmkrebsprävention ist die Vorsorgekoloskopie, seit dem Herbst 2002 Bestandteil der gesetzlichen Krebsfrüherkennung in Deutschland.

Mindestens die Hälfte der berechtigten Bevölkerung hat sich bisher trotz vieler öffentlichkeitswirksamer Aktionen keiner Koloskopie unterzogen. Daher ist es richtig, Alternativmethoden zur Koloskopie anzubieten. Die etablierte Methode hier ist die Stuhluntersuchung auf okkultes Blut (fecal occult blood testing [FOBT]). Bis vor kurzem war der Guajak-Test (gFOBT) das Standardverfahren. Jedoch ist die Sensitivität des gFOBT für Karzinome nur mäßig (etwa 40 % für eine einmalige Testung) und für Adenome gering; und der Test ist nicht spezifisch für menschliches Blut. Aus diesem Grund wurden immunologische Verfahren zur fäkalen okkulten Bluttestung entwickelt, die spezifisch menschliches Blut im Stuhl nachweisen können (immunologische FOBT [iFOBT oder FIT]). Diese Tests haben weiterhin den Vorteil, dass eine Automatisierung der Testauswertung und eine Veränderung des Schwellenwerts, bei dem der Test als positiv gewertet wird, möglich sind. In einer Metaanalyse von 19 Studien wurden für die Detektion kolorektaler Karzinome eine Sensitivität von 79 % und Spezifität von 94 % gezeigt. Der Einsatz des iFOBT im Vergleich zum gFOBT für die Darmkrebsfrüherkennung wurde in mehreren prospektiven randomisierten Studien verglichen. In den Studien fand sich in der iFOBT-gruppe eine signifikant höhere Rate für die Teilnahme und für die Neoplasiedetektion verglichen mit dem gFOBT. Jedoch können die Ergebnisse der Studien nicht automatisch auf alle verfügbaren Tests übertragen werden. So zeigte eine Untersuchung von in Deutschland erhältlichen iFOBT deutliche Schwankungen in Sensitivität und Spezifität der verschiedenen Anbieter. Entsprechend werden iFOBT mit bestimmten Voraussetzungen in der S3-Leitlinie als Alternative zum gFOBT empfohlen.

Der Datenlage und der S3-Leitlinienempfehlung wurde vom gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) Rechnung getragen und im April 2016 entschieden, dass ab April 2017 die Untersuchung von einer Stuhlprobe mittels iFOBT das Standardverfahren für die Darmkrebsfrüherkennung, d. h. der iFOBT den gFOBT ablösen wird. Gleichzeitig wurden klare Qualitätskriterien für die Zulassung von iFOBT für die gesetzliche Darmkrebsfrüherkennung definiert. So muss jeweils von den Herstellern u. a. durch eine Vergleichsstudie mit der Koloskopie nachgewiesen werden, dass durch den angebotenen Test für kolorektale Karzinome oder fortgeschrittene Adenomen eine Sensitivität von mindestens 25 % und Spezifität von 90 % erreicht wird. Ferner müssen regelmäßig die Ergebnisse von externen Qualitätssicherungsmaßnahmen (z. B. Ringversuche) eingereicht werden. Diese Vorgaben erscheinen sinnvoll; bisher ist aber kein Goldstandard für den Einsatz in Ringversuchen etabliert. Die Ausgabe der iFOBT erfolgt wie bisher durch niedergelassene Kollegen. Neu ist hingegen, dass nur quantitative Testverfahren zugelassen werden und qualitative Tests, die bisher das gängige Verfahren in Deutschland darstellten ausgeschlossen werden. Diese Beschränkung, die eine sofortige vor Ort Auswertung und Befundbesprechung unmöglich macht, ist von vielen Experten kritisiert worden. Auch die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen hatte die Zulassung beider Verfahren befürwortet unter Einhaltung der verabschiedeten Qualitätskriterien. Der G-BA sah das Problem vor allem in der kontinuierlichen Qualitätskontrolle der qualitativen Testverfahren. Der Zeitverzögerung durch das erforderliche Verschicken der entnommenen Tests wurde durch die Anforderung einer Probenstabilität für mindestens 5 Tage Rechnung getragen.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Akzeptanz der iFOBT entwickeln wird. Unverständlicherweise ist bisher – anders als bei der Vorsorgekoloskopie – keine systematische Auswertung der Ergebnisse des iFOBT-Programms vorgesehen. Eine derartige Erfassung wird von der EU-Leitlinie gefordert und wäre durch eine geringe Modifikation der bereits etablierten Vorsorgekoloskopiedokumentation möglich. Hier sollte nachgebessert werden. Nichtsdestotrotz ist die Einführung des iFOBT ein wichtiger Schritt zu einer weiteren Verbesserung des Dickdarmkrebsscreenings in Deutschland.

Informationen zum Autor

PD Dr. Christian P. Pox ist Chefarzt der Medizinischen Klinik im St. Joseph-Stift in Bremen. Er ist Internist, Gastroenterologe, Onkologe und Infektiologe. Sein klinischer und wissenschaftlicher Schwerpunkt sind gastrointestinale Tumoren insbesondere das kolorektale Karzinom. Seit 1998 ist er Koordinator der S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“, seit 2008 Mitglied der Zertifizierungskommission Darmkrebszentren der DKG und seit 2015 im Vorstand der Gastro-Liga.

PD Dr. Christian Pox
Chefarzt Medizinische Klinik
Krankenhaus St. Joseph-Stift Bremen
Schwachhauser Heerstraße 54
28 209 Bremen