Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2017; 49(02): 78-80
DOI: 10.1055/s-0043-110189
Forschung – Neues aus der Onkologie
Mammakarzinom
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Effekte des Mammografie-Screenings

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Publication Date:
18 July 2017 (online)

Die großflächige Einführung des Mammografie-Screenings in vielen Ländern soll die Sterblichkeit durch Mammakarzinome senken, indem sie kleinere, möglicherweise besser behandelbare Tumoren frühzeitig erkennt. Dem steht das Risiko einer Überdiagnose gegenüber, also der Nachweis – und die Behandlung – von Tumoren, die im natürlichen Verlauf niemals Symptome verursacht hätten. Mediziner aus den USA haben sich das näher angesehen (Welch HG et al. Breast-cancer tumor size, overdiagnosis, and mammography screening effectiveness. N Engl J Med 2016; 375: 1438–1447).

Gilbert Welch und seine Kollegen haben dazu Daten aus dem US-amerikanischen Register „Surveillance, Epidemiology, and End Results“ (SEER) herangezogen. SEER ist ein populationsbasiertes Register für Krebsneuerkrankungen, das etwa 10% der US-amerikanischen Bevölkerung abdeckt und als repräsentativ für die Gesamtbevölkerung gilt.

Sie beurteilten die Jahre 1975–2012 und insbesondere

  • den Zeitraum 1975–1979 (repräsentiert die Zeit vor dem breiten Einsatz des Mammografie-Screenings) und

  • den Zeitraum 2000–2002 (repräsentiert die Zeit nach Einführung des Screenings, für die Langzeitdaten über mind. 10 Jahre vorliegen).

Dabei verglichen sie bei Frauen ab dem 40. Lebensjahr die relative Häufigkeit kleiner bzw. großer Mammakarzinome sowie die tumorgrößenspezifische Sterblichkeit bei diesen Tumoren.

Die Mediziner fanden

  • im Zeitraum nach Einführung des Screenings eine relative Zunahme bei der Diagnose kleinerer Tumoren (invasive Karzinome<2 cm oder Carcinoma in situ) von 36 auf 68% sowie

  • eine Abnahme größerer Tumoren (≥2 cm) von 64 auf 32%.

Diese Verschiebung war aber in absoluten Zahlen weniger das Ergebnis einer tatsächlichen Verminderung größerer Tumoren, sondern einer Zunahme kleinerer Tumoren: Die Inzidenz großer Tumoren ging um 30 Fälle pro 100 000 Frauen zurück (von 145 auf 115/100 000), im gleichen Zeitraum stieg die Inzidenz kleiner Tumoren um 162 Fälle/100 000 Frauen (von 82 auf 244/100 000). Legt man eine insgesamt stabile Erkrankungshäufigkeit zugrunde, errechnet sich daraus, dass 30 der zusätzlich entdeckten kleinen Tumoren progredient gewesen wären, während die verbleibenden 132 kleinen Tumoren als Überdiagnose gewertet werden müssten ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Kritische Nutzenbewertung der Mammografie durch US-Mediziner. Foto: Dynamic Graphics.

Dabei sank im Lauf der Zeit kontinuierlich die Sterblichkeit, und zwar sowohl bei großen als auch bei kleinen Tumoren. Rein rechnerisch geht diese Reduktion zu etwa zwei Dritteln aber auf bessere systemische Behandlungsmöglichkeiten zurück (−17 Todesfälle/100 000 Frauen), das Screening trägt etwa ein Drittel dazu bei (−8 Todesfälle/100 000 Frauen).

Fazit

Die breite Einführung des mammografischen Screenings führt zwar zu einer Zunahme bei der Diagnose kleinerer Karzinome, so die Autoren. Diese Karzinome seien aber zu einem großen Teil Tumoren, die im natürlichen Verlauf niemals symptomatisch geworden wären. Dementsprechend wären diese Patientinnen unnötig behandelt und den damit verbundenen Komplikationen und Nebenwirkungen ausgesetzt worden. Kurz gesagt: Das Risiko der Überdiagnose übertreffe in diesem Fall den Nutzen der früheren Therapie.

Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim

Kolorektales Karzinom