Fortschr Neurol Psychiatr 2017; 85(07): 371
DOI: 10.1055/s-0043-111154
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Traumatische Erinnerungen medikamentös abschwächen

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Publication Date:
02 August 2017 (online)

Ein möglicher neuer Ansatz für die Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung: Nach Einnahme des Antibiotikums Doxycyclin erinnern sich Studienteilnehmer deutlich weniger an ein unangenehmes Ereignis. Dies belegen die Experimente eines Forscherteams der Psychiatrischen Universitätsklinik und der Universität Zürich.

Körperliche Gewalt, Krieg oder auch eine Naturkatastrophe können eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) auslösen. Betroffene durchleben das belastende Ereignis immer wieder – durch plötzlich einschießende Erinnerungen oder als sich wiederholende Albträume. Nicht immer kann diese seelische Verletzung mit einer Psychotherapie erfolgreich behandelt werden. Daher suchen Wissenschaftler seit langem nach einem Weg, das Traumagedächtnis medikamentös zu beeinflussen. Im Tiermodell erprobte Möglichkeiten waren beim Menschen bisher nicht anwendbar oder nicht wirkungsvoll genug. Nun testeten Forscher erfolgreich ein neues Medikament, das bei Menschen die Erinnerung an ein negatives Erlebnis deutlich abschwächt.

Sie untersuchten, wie sich die Hemmung eines für die Gedächtnisbildung wichtigen Enzyms auf traumatische Erinnerungen auswirkt. Erst seit jüngster Zeit ist aus Laborversuchen bekannt, dass für die Gedächtnisbildung Enzyme aus der Extrazellulärmatrix, sog. Metalloproteinasen nötig sind. Das Antibiotikum Doxycyclin hemmt die Aktivität dieser Enzyme.

Knapp 80 Personen nahmen am Versuch teil. In einem Experiment erhielten die Probanden leicht schmerzhafte elektrische Reize, die sie mit einer spezifischen Farbe zu verknüpfen lernten. Die Probanden in der Experimentalgruppe erhielten vorher 200 mg Doxycyclin, im Gegensatz zur Kontrollgruppe, die ein Plazebo einnahm. Die Probanden der Kontrollgruppe zeigten – während sie die Farbe sahen – 7 Tage später verstärkte Schreckreaktionen. Bei Probanden der Experimentalgruppe waren die späteren Schreckreaktionen um rund zwei Drittel schwächer. „Damit zeigen wir erstmals, dass Doxycyclin das emotionale Gedächtnis abschwächt, wenn es vor einem negativen Ereignis eingenommen wird“, erklärt Studienautor Dominik Bach.

Die Ergebnisse belegen, dass Metalloproteinasen beim Menschen für die Gedächtnisbildung relevant sind. Diese Enzyme liefern laut Dominik Bach wichtige Anknüpfungspunkte, um therapeutisch wirksame Substanzen zu entwickeln. „Doch bereits mit dem heutigen Wissensstand könnte Doxycyclin wahrscheinlich angewendet werden, um vorhandene emotionale Erinnerungen zu dämpfen – wenn Patienten das wünschten“, sagt der Arzt. Für diese Behandlung würden existierende Traumaerinnerungen in einer Psychotherapie gezielt aktiviert und dann durch Gabe von Doxycyclin geschwächt. „Wir planen, dieses kombinierte Therapiemodell bei gesunden Menschen anzuwenden, um es dann in der Klinik zu erproben“, schließt Bach.

Nach einer Mitteilung der Universität Zürich