PiD - Psychotherapie im Dialog 2017; 18(03): 108-109
DOI: 10.1055/s-0043-111303
Resümee
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Was ist noch normal, was schon Störung?

Resümee
Barbara Stein
,
Henning Schauenburg
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
07. September 2017 (online)

Dissoziation: Ein komplexes Phänomen

Angetreten sind wir mit dem Anspruch, durch ein PiD-Heft zu Dissoziativen Störungen mehr Klarheit über dieses häufig kontrovers diskutierte Thema zu gewinnen. Liest man das Heft von Anfang bis Ende durch – sofern dies überhaupt möglich ist, ohne in Trance zu geraten – dann wird die Komplexität des psychischen Phänomens der Dissoziation sehr deutlich. Lassen Sie uns kurz zusammenfassen: Der Dissoziationsbegriff ist offensichtlich mehrdeutig, die Phänomenologie und Funktionalität im psychischen Geschehen heterogen. Dissoziation wird heute als nicht bewusste oder nicht integrierte Abspaltung mentaler Module oder Systeme verstanden, mit der Folge subjektiv veränderten Bewusstseins und Erlebens. Sie bedeutet damit eine Entfremdung von Selbst und Umwelt. Und Dissoziation kann in sehr vielen, aber keineswegs allen Fällen als Abwehr- respektive Bewältigungsmechanismus fungieren. Dissoziation ist insofern ein Alltagsphänomen und eben nicht per se pathologisch. Wir Psychotherapeuten nutzen diese Fähigkeit, um in unserer Arbeit handlungs- und empathiefähig zu bleiben. Klinisch relevant wird es dann, wenn es dabei zu Erinnerungslücken oder subjektivem Leiden bzw. psychosozialen Funktionseinbußen oder – über eine entsprechende Attribution – zu subjektiven Identitätsstörungen kommt.