Aktuelle Urol 2017; 48(06): 499-500
DOI: 10.1055/s-0043-116723
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07 December 2017 (online)

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Axel Heidenreich

Liebe Leserin, lieber Leser,

die vorliegende Ausgabe der Aktuellen Urologie befasst sich schwerpunktmäßig mit den rekonstruktiven operativen Techniken bei Anomalien des oberen und unteren Harntraktes im Erwachsenenalter. Während im Kindesalter vornehmlich angeborene Anomalien des Nierenbeckens, des Ureters, der Harnblase und der Harnröhre operativ korrigiert werden müssen, wird die Indikation zur rekonstruktiven Chirurgie im Erwachsenenalter meist auf dem Boden von Stenosen und Strikturen sowie Funktionsstörungen nach vorangegangen operativen oder strahlentherapeutischen Interventionen gestellt. Fast immer handelt es sich um komplexe Befunde, die zunächst einer wegweisenden bildgebenden Diagnostik zugeführt werden müssen, um eine individuelle, differentialtherapeutische Behandlungsstrategie entwickeln zu können.

Frau Mühlstädt et al. widmen sich ausführlich der Funktions- und bildgebenden Diagnostik sowie der verschiedenen Operationstechniken bei primärer und sekundärer ureteropelviner Stenose und gehen dabei insbesondere auf die offen-operativen, laparoskopischen und endourologischen Optionen inklusive der postoperativen Versorgung und eines strukturierten Komplikationsmanagements ein. Gerade im Erwachsenenalter resultiert die subpelvine Stenose häufig aus vorausgegangenen endourologischen Eingriffen wie der PCNL und bedarf für eine erfolgreiche und komplikationsarme Rekonstruktion einer besonderen chirurgischen Erfahrung.

Stenosen und Strikturen des Ureters werden aufgrund der immer häufiger durchgeführten ureterorenoskopischen Steinbehandlungen, der perkutanen retroperitonealen und pelvinen Radiotherapie sowie der intrapelvinen Chirurgie mit steigender Frequenz beobachtet. Entzündliche Prozesse wie die primäre oder sekundäre retroperitoneale Fibrose stellen weitere häufige Ätiologien dar. Heidenreich et al. stellen die verschiedenen operativen Techniken dar, die in Abhängigkeit von der anatomischen Lokalisation und Ausdehnung der Ureterstriktur von der einfachen End-zu-End Anastomose über die Transureteroureterostomie und die Ureteroneoimplantation bis hin zum Ureter-Ileum-Interponat und der renalen Autotransplantation reichen können.

Bezüglich der rekonstruktiven Chirurgie der Harnblase beschreiben Frau Schnürer und Mitarbeiter aus der Tübinger Klinik die grundsätzlichen therapeutischen Prinzipien in Abhängigkeit der verschiedenen Ätiologien der Blasenfunktionsstörungen. Ausführlich und für den klinischen Alltag wegweisend werden die diagnostischen Vorgehensweisen und die operativen Optionen bei Blasentraumata, Blasenhalsstrikturen und vesicovaginalen sowie vesicointestinalen Fisteln beschrieben. Auch die rekonstruktiven Techniken inklusive der Option gestielter Muskellappen werden für die Blasendysfunktion und die Therapie einer reduzierten Blasenkapazität oder –compliance sehr ausführlich dargestellt.

Last but not least, beschreiben Zugor et al. die diagnostischen und therapeutischen Algorithmen der offenen Harnröhrenchirurgie, die von der einfachen End-zu-End Anastomose über die Anwendung gestielter Lappen bis hin zur nativen oder artifiziell gezüchteten Mundschleimhaut reichen. Gerade die Techniken des Tissue Engineering eröffnen die Möglichkeit der Rekonstruktion langstreckiger Strikturen ohne perioperative Komplikationen außerhalb des eigentlichen Operationsgebietes.

Ergänzt werden diese Übersichtsarbeiten durch eine Kasuistik von Herrn Karapanos, der die operative Versorgung eines großen, steintragenden Urethraldivertikels eindrücklich beschreibt.

Ich wünsche Ihnen bei der Lektüre der verschiedenen Optionen der rekonstruktiven Chirurgie des Urogenitaltaktes viel Freude und neue Anregungen bzw. differentialtherapeutische Ansätze für die Behandlung der Ihnen anvertrauten Patienten.

Köln, im Oktober 2017
Univ.-Professor Dr. med. Dr. h.c. Axel Heidenreich