PPH 2017; 23(05): 257
DOI: 10.1055/s-0043-119436
Rund um die Psychiatrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Für Sie gelesen: Buttlar B, Latz M, Walther E. Breaking Bad: Existential Threat Decreases Pro-Environmental Behavior. Basic and Applied Social Psychology 2017; 39 (3): 153–166. DOI: 10.1080/01973533.2017.1296360

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Publication Date:
18 September 2017 (online)

Hintergrund: Es wird angenommen, dass existenzielle Bedrohungen, Umweltkatastrophen oder akute Gesundheitsgefahren Veränderungen in der Lebensweise oder dem Verhalten von betroffenen Menschen bewirken. Überraschenderweise bleiben jedoch Menschen oftmals trotz dieser Ereignisse den ureigenen Verhaltensweisen treu. Dieses Phänomen führte zu der Fragestellung: Warum ändern manche Menschen trotz einer bestehenden Gefahr ihre Verhaltensweisen nicht? Dies führte zu einer vertiefenden Annahme, dass bestehende Gefahren sogar einer Veränderungsbereitschaft entgegenwirken können. Das würde bedeuten, dass gefährdete Menschen eher in alte oder nicht förderliche Verhaltensweisen zurückfallen anstatt neue, potenziell nützliche anzunehmen.

Methode: Die Hypothese wurde in zwei verschiedenen Feldstudien geprüft. Zuerst wurde eine Alltagssituation ausgewählt (öffentliche Toilette an einer Universität), dann eine Aufforderung zur Verhaltensänderung implementiert (Reduzierung des Verbrauchs der Einmalhandtücher) und zuletzt eine potenzielle Gefahr projiziert (Leben in unmittelbare Nähe zu einem Atomreaktor).

Für die zweite Studie wurde das gleiche Design jedoch eine andere Örtlichkeit (Mensa der Universität) mit 150 Probanden ausgewählt. Das Studiendesign weist Einschränkungen für Detailaussagen auf, zum Beispiel den Gesamtmengenverbrauch an Einmalhandtüchern pro Studienteilnehmer sowie den tatsächlichen Umfang und die Zusammensetzung der Stichprobe.

Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen, dass die Aufforderung zu einer umweltorientierten Verhaltensänderung durch die Reduzierung des Verbrauchs von Einmalhandtüchern geschlechterunabhängig einherging. Dies änderte sich jedoch in das Gegenteil, als eine potenzielle Gefahr platziert wurde. Die Forscher erklären dieses Verhalten damit, dass Menschen, um sich selbst zu schützen, tendenziell negative Emotionen oder Gefahren verleugnen oder versuchen, sich von der Tatsache abzulenken. Dabei bedienen Menschen sich Verhaltensweisen, die sie sich bereits in der Vergangenheit angeeignet haben, da sie einerseits mental leicht abrufbar sind und anderseits Sicherheit vermitteln können. Dabei spielt es eine untergeordnete Rolle, ob diese Verhaltensweisen die Umwelt negativ beeinflussen oder es zu einer sozial auffälligen Reaktion kommt.

Fazit: Appelle können im Gegensatz zu potenziellen Lebensgefahren zeitweise umweltorientierte Verhaltensänderungen bei Menschen herbeiführen. In akuten Gefahrensituationen orientieren sich Menschen jedoch an bereits in der Vergangenheit angeeigneten Verhaltensweisen, um Selbstsicherheit zu erfahren.

Jörg Kußmaul