Rofo 2018; 190(01): 5-9
DOI: 10.1055/s-0043-120637
Bildessay
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Parry Romberg & Morphea en Coup de Sabre

Parry-Romberg syndrome and scleroderma en coup de sabre
Kaspar Ekert
,
Jasmin Kümmerle-Deschner
,
Sandra Hansmann
,
Jörg Henes
,
Marius Horger
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
19. Dezember 2017 (online)

Einleitung

Das Parry-Romberg-Syndrom (PRS) und lineare Morphea en Coup de Sabre (MCS) sind Unterformen der linearen Sklerodermie (LSc), welche sich wiederum aus dem breiteren Sklerodermiespektrum zusammenstellen, bestehend aus linearer, zirkumskripter, generalisierter, pansklerotisch und gemischter Sklerodermie. Obwohl beide Erkrankungen selten auftreten, Inzidenzraten von 0,4 – 2,7:100 000 Einwohner pro Jahr (Niklander S et al. J Clin Exp Dent 2017; 9: e315 – e318), stellen sie eine wichtige Differenzialdiagnose bei asymmetrischen, sklerotischen Haut- bzw. Kalottenveränderungen der Gesichtsregion sowie assoziierten zerebralen Läsionen in der Bildgebung für Radiologen dar. Insbesondere muss eine Sensibilisierung für eine Mitbeteiligung des Neurokraniums durch Auftreten von zerebralen Läsionen bei PRS sowie MCS geschaffen werden.

Wie der Name andeutet, zeigt sich die Morphea en Coup de Sabre als unilaterale, lineare, faziale Sklerose der Haut und des tieferliegenden Gewebes in der Form eines „Säbelhiebs“, meist der linken Gesichtshälfte. Dahingegen manifestiert sich das PRS als neurokutane Sklerose mit Deformierung des Integumentum, der darunter liegenden Hautschichten als auch der Muskelschichten bis hin zu zerebralen Läsionen. PRS und MCS werden auch als klinische Varianten der linearen Sklerodermie angesehen, wobei PRS sich durch tiefergreifende, sklerotische Infiltration nicht nur des Viszero- sondern auch des Neurokraniums zeigt. Beide Krankheitsentitäten lassen sich in gewissen Fällen nicht eindeutig klinisch als auch bildmorphologisch voneinander abgrenzen.

Die lokalisierte Sklerose zeigt kutan sowohl bei PRS als auch bei MCS lineare atrophische Hautareale einer oder in seltenen Fälle beider Gesichtshälften (Rai R et al. Pediatr Dermatol 2000: 17: 222 – 224) mit typischen fleckförmigen Hyper- oder Depigmentationen (als Elfenbeinfarben imponierende). Im Bereich des Haaransatzes resultiert eine vernarbende Alopezie ([Abb. 1], [2]). Frauen sind mit Beginn der Erkrankung zwischen dem 2. und 20. Lebensjahr häufiger betroffen (Wong M et al. Am J Neuroradiol 2015; 36: 1355 – 1361). Nach einer initialen progressiven Atrophie stoppt die Erkrankung meist abrupt und limitiert sich selbst mit Erreichen einer sog. „Burned-out“-Phase (Wong M et al. Am J Neuroradiol 2015; 36: 1355 – 1361).

Zoom Image
Abb. 1 Darstellung der typischen vernarbenden Alopezie parietal bei einem Patienten mit MCS.
Zoom Image
Abb. 2a Axiale T1-gewichtete native Schädel-MRT. Darstellung einer Asymmetrie im Bereich des linken frontalen Schädels. Dabei zeigt sich eine Lipoatrophie subkutan mit Ausdünnung der Schädelkalotte (Pfeil). b In diesem zweiten Fall fand sich ebenfalls eine typische Asymmetrie der Weichteilen rechts frontal, wobei hier das subkutanes Fettgewebe durch fibrotisches Gewebe (Unterbrechung der physiologischen subkutanen Fettschicht rechts) ersetzt worden ist. Bei beiden Patienten wurde eine MCS diagnostiziert.

Die genaue Pathogenese beider Krankheitsentitäten bleibt bislang kryptisch (Wong M et al. Am J Neuroradiol 2015; 36: 1355 – 1361), unter anderem werden eine embryonale sowie eine autoimmune Genese diskutiert. Die Ausbreitung der linearen Morphea entlang der Blashkolinien legt einen Defekt der somatischen Stammzellen während der Migration der Neuralleiste nahe. Die folgende autoimmune Reaktion gegen diese entartete Stammzellreihe führt zu den typischen linearen sklerotischen Veränderungen (Soma Y, Fujimoto M. J Am Acad Dermatol 1998; 38: 366 – 368; Takahashi T et al. J Dermatol 2016; 43: 203 – 206). Erhöhte Autoantikörpertiter, in der Form von ANA-, dsDNA-, Histonantikörper (El-Kehdy J et al. J Am Acad Dermatol 2012; 67, 769 – 784) als auch oligoklonale Banden im Liquor (Longo D et al. J Neuroimaging 2011; 21: 188 – 193; Sathornsumetee S et al. J Pediatr 2005; 146 429 – 431) weisen auf eine Überreaktion des Immunsystems hin. Des Weiteren deutet das gute Ansprechen der Patienten auf eine immunsuppressive Therapie auf ein autoimmunes Geschehen. Die Höhe der Autoantikörpertiter lassen keine Rückschlüsse über die Krankheitsaktivität zu (Christen-Zaech S et al. J Am Acad Dermatol 2008; 59: 385 – 396; Dharamsi JW et al. JAMA Dermatol 2013; 149, 1159 – 1165; Fett N, Werth VP. J Am Acad Dermatol 2011; 64: 217 – 228).

In der Histologie finden sich neben der Atrophie der Hautschichten mit Fibrose und Kollagenablagerungen (El-Kehdy J et al. J Am Acad Dermatol 2012; 67, 769 – 784) auch perivaskuläre lymphozytische Infiltrate, die sich als typische vaskulitische Veränderungen präsentieren (Carreño M et al. Neurology 2007; 68: 1308 – 1310; Moseley BD et al. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2010; 81: 1400 – 1401; Stone J et al. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2001; 70, 382 – 385), was zusätzlich auf eine entzündliche vaskuläre Pathogenese hindeuten könnte.

Die Therapie der PRS und MCS folgen einem multimodalen Konzept aus systemischer und lokaler Immunsupression im aktiven Stadium der Erkrankung sowie einer chirurgisch-plastischen Rekonstruktion nach Stabilisierung der Skleroseaktivität und Erreichen einer inaktiven Phase.

Dabei zeigen neue Therapieansätze, die an der autoimmunen Pathogenese ansetzen, Wirkung. In einem Fallbericht konnte die Frequenz der epileptischen Anfälle durch Rituximabgabe gesenkt werden (Moseley BD et al. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2010; 81: 1400 – 1401), was den Verdacht für eine entscheidende autoimmune Entzündungskomponente im Entstehungsmechanismus der klinischen Subtypen der linearen Sklerodermie erhärtet.