Dtsch Med Wochenschr 2018; 143(02): 73-74
DOI: 10.1055/s-0043-121940
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Individuell entscheiden: Thrombozytenaggregationshemmer bei akutem Koronarsyndrom

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Publication Date:
22 January 2018 (online)

Die aktuellen Leitlinien empfehlen nach perkutaner Koronarintervention (PCI) bei akutem Koronarsyndrom (ACS) eine potente Thrombozytenaggregationshemmung mit P2Y12-Rezeptorinhibitoren (Prasugrel oder Ticagrelor) für 12 Monate. Den größten Nutzen dieser potenten Medikamente beobachtet man in der frühen Phase nach PCI, wenn das Risiko ischämischer Komplikationen am höchsten ist. Jedoch treten unter Langzeittherapie mit diesen Medikamenten z. T. lebensbedrohliche Blutungskomplikationen auf.

In der Praxis erfolgt deshalb bereits bei 15 – 28 % der Patienten eine Umstellung der Therapie von einem P2Y12-Inhibitor auf das weniger potente Clopidogrel nach Entlassung; bisher jedoch ohne sichere Evidenz. Eine einwöchige Behandlung mit Prasugrel und die anschließende kontrollierte Umstellung der Medikation auf Clopidogrel bei ACS-Patienten erscheint im Hinblick auf die Inzidenz von thrombotischen Ereignissen und Blutungskomplikationen gleichwertig zur Langzeittherapie mittels hochpotenter Plättchenhemmung. Zu diesem Ergebnis kommen D. Sibbing vom Universitätsklinikum München und Kollegen in der internationalen TROPICAL-ACS-Studie.

Für die prospektive, randomisierte, multizentrische TROPICAL-ACS-Studie wurden im Zeitraum von Dezember 2013 bis Mai 2016 an 33 europäischen Zentren (20 in Deutschland, 2 in Österreich, 7 in Ungarn, 4 in Polen) 2610 Patienten nach erfolgreicher PCI bei ACS und einer geplanten Thrombozytenaggregationshemmung über 12 Monate eingeschlossen.

  • 1304 Patienten in der Gruppe mit individualisierter Therapie („guided de-escalation“) erhielten nach einem ACS mit Stentimplantation nach Entlassung aus dem Krankenhaus für 7 Tage Prasugrel (5 oder 10 mg/Tag), anschließend 7 Tage Clopidogrel (75 mg/Tag).

  • 1306 Patienten in der Kontrollgruppe wurden zunächst 14 Tage lang mit Prasugrel (5 oder 10 mg/Tag) behandelt.

  • In beiden Gruppen wurde nach 14 Tagen eine Thrombozytenfunktionstestung (PFT) mittels Multiplate®-Analyser durchgeführt.

  • Die Kontrollgruppe erhielt – unabhängig vom Ergebnis dieses Funktionstests – für weitere 11,5 Monate Prasugrel.

  • In der „guided de-escalation“-Gruppe wurde die Behandlung entsprechend des Ergebnisses des PFT fortgeführt:

    • Patienten mit unzureichender Plättchenhemmung wurde für weitere 11,5 Monate Prasugrel verordnet und

    • Patienten mit ausreichender Plättchenhemmung bekamen für weitere 11,5 Monate Clopidogrel.

Der primäre Endpunkt waren thrombotische Ereignisse und Blutungskomplikationen (klinischer Nutzen), der sich zusammensetzte aus Tod aufgrund kardiovaskulärer Ereignisse, Myokardinfarkt, Schlaganfall oder Blutungen ≥ 2. Grades.