Der Klinikarzt 2017; 46(12): 595-596
DOI: 10.1055/s-0043-122482
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Tattoos: Lymphknoten freuen sich über mehr Farbe

Winfried Hardinghaus
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Publication Date:
20 December 2017 (online)

Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes yougov tragen in Deutschland 18 % der Erwachsenen eine Tätowierung. Mit fast 30 % ist der Körperschmuck bei den 25–34-Jährigen am weitesten verbreitet, mehr Frauen als Männer. Um die mit Farben in die Lederhaut eingestochenen Motive ranken sich einige interessante Fakten, Kurioses und neuerdings häufiger auch Bedrohliches.

Die ersten Belege für Tätowierungen lassen sich bereits im alten Ägypten zur Zeit des Pyramidenbaus finden. Wandmalereien zeigen Menschen mit farblichen Motiven auf der Haut. Der Ursprung des Wortes leitet sich von dem taihitanischen „tattau“ ab. Der Naturwissenschaftler Joseph Banks, der 1769 mit dem Schiff Kapitän Cooks in Amerika an Land ging, vermerkte über die Eingeborenen in Tahiti: „Beide Geschlechter malen auf ihre Körper tattau, wie es in ihrer Sprache heißt; dies geschieht, indem die Farbe Schwarz auf eine Weise unter die Haut eingebracht wird, dass sie unauslöslich ist. Einige haben schrecklich aussehende Abbildungen von Vögeln oder Hunden.“

Durch Seefahrer gelangte der Brauch über Kreta, Griechenland, Persien und Arabien bis nach China. Doch nicht immer wurden Tätowierungen als Schmuck auf die Haut aufgetragen. Im alten Rom wurden Sklaven mit damit gebrandmarkt, um sie einem Besitzer zuweisen zu können. Ähnlich erging es Sträflingen in Japan. Nachdem Samuel O'Reilly 1891 die erste elektrische Tätowiermaschine erfand, mehrten sich die Tattoos im Europa des 20. Jahrhunderts. Zunächst allerdings fand man tätowierte Menschen eher auf Jahrmärkten und Kuriositätenschauen.

Das dunkelste Kapitel der Tattoo-Geschichte findet sich, wenn man so will, in Deutschland. Während des Zweiten Weltkrieges ließ die SS ihren Soldaten die Blutgruppe auf die Unterseite des Oberarms stechen, um sie im Falle einer Verletzung, schnellst- und bestmöglich behandeln zu können. Gegen Ende des Krieges galten solche Blutgruppentätowierungen den Alliierten zur Identifikation von SS-Angehörigen. Im Vernichtungslager Auschwitz bekamen die Inhaftierten ihre Gefangenennummer auf den linken Unterarm tätowiert.

Heute lassen sich Menschen auf der ganzen Welt Symbole in den verschiedensten Farben, Formen und Größen, an allen Stellen des Körpers, und aus den unterschiedlichsten Motivationen heraus machen. Ästhetik, Selbstdarstellung, Geltungssucht, Abgrenzung und Zugehörigkeitsgefühl werden genannt.

Zwar sind Gefahren des Kultes lange bekannt und viele Menschen haben sich, vor allem in Afrika oder Fernost, durch unsaubere Nadeln, die bei Billig-Tattoos verwendet werden, mit Krankheiten wie Hepatitis oder HIV infiziert. Unmittelbar nach dem Stechen sind immer Wundinfektionen, Narbenbildungen und allergische Reaktionen (z. B. durch Nickel) möglich. Beispielsweise konnten in Rahmen einer 2016 im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichten Literaturrecherche 67 Fälle bakteriell-infektiöser Komplikationen nach Tätowierungen in den Jahren 1984 bis 2015 identifiziert werden [1]. Die Krankenkassen haften bei solchen Komplikationen im allgemeinen nicht.

Auch Schwermetallreste und Karzinogene wurden in einzelnen Proben gefunden. So wurden schwarze Tätowierfarben untersucht und dabei erhöhte Summengehalte für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) festgestellt, darunter 7 als karzinogen eingestufte PAK, verweist das Bundesinstitut für Risikobewertung BFR schon 2011 [2].

Über generell mögliche Langzeitschäden gibt es bisher keine verlässlichen Aussagen. Jüngst wurde mithilfe von Röntgenfluoreszenz der Weg der Tattoopigmente durch den menschlichen Körper verfolgt. Ein beträchtlicher Teil der Farben setzt sich in einer Art Nanopartikeln ausgerechnet in den Lymphknoten fest, publiziert noch vor 3 Monaten, am 12.Septemberr 2017 [3]. Nicht ausgeschlossen, dass sich aus der Lymphbeteiligung eine Abwehrschädigung oder sogar maligne Prozesse ergeben.

Eine spätere Entfernung bzw. Korrektur dieser lebenslangen Entscheidung ist so gut wie nicht mehr möglich. Aber darin mag gerade ein zusätzlicher „Kick“ besonders bei Jugendlichen liegen. Ob der Modetrend in absehbarer Zeit verschwinden wird, ist fraglich. Und selbst, wenn sich Tattoos als deutlich gesundheitsschädlich erweisen lassen, scheint doch die Faszination dafür zu groß. Die ästhetische Sicht ist Sache des Geschmacks, auch wenn Sie dem meinen nicht entspricht. Aus medizinischer Sicht werden Tätowierungen und die Gefahren, was mögliche Folgen anbetrifft, offensichtlich unterschätzt. Besondere Vorsicht vor nicht seriösen Instituten! Proaktive Aufklärung tut not. Nehmen wir unsere jungen Leute ins Gebet! Hilfreiche Laieninformation auch unter www.safer-tattoo.de.

 
  • Literatur

  • 1 Dieckmann R, Boone I, Brockmann SO. Risiken für bakterielle Infektionen nach Tätowierungen. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 665-671
  • 2 Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Stellungnahme Nr. 044/2011
  • 3 Schreiver I, Hesse B, Seim C. et al. Synchrotron-based ν-XRF mapping and μ-FTIR microscopy enable to look into the fate and effects of tattoo pigments in human skin. Scientific Reports 7, Article number: 11395. 2017