Zusammenfassung
Hintergrund Die Mangelernährung ist ein zentrales Problem im Spitalalltag und korreliert mit
Komplikationen, längeren Spitalaufenthalten und schlechteren Outcomes. Viele der hospitalisierten,
internistischen Patienten sind polymorbide. Bisherige klinische Leitlinien für Ernährungstherapie
befassen sich meist nur mit Einzelerkrankungen ohne Berücksichtigung der Polymorbidität.
Ziel der ESPEN-Arbeitsgruppe war das Erstellen von Leitlinien zur Ernährungstherapie
bei polymorbiden, hospitalisierten Patienten.
Methode Die Arbeitsgruppe formulierte Schlüsselfragen zu folgenden Aspekten der Ernährungstherapie:
Indikation, Weg der Nahrungszufuhr, Energie- und Proteinbedarf, Mikronährstoffe, krankheitsspezifische
Nährstoffe, Überwachung, zeitliche sowie prozedurale Aspekte. Es erfolgte eine systematische
Literatursuche in 3 Datenbanken (Medline, Embase und Cochrane Library) sowie in sekundären
Quellen (z. B. publizierte Guidelines). Darauf basierend wurden Empfehlungen formuliert.
Die hier vorgestellte Arbeit ist eine deutsche Übersetzung der kürzlich publizierten
ESPEN-Leitlinien.
Ergebnisse Bei polymorbiden, hospitalisierten Patienten sollte ein einfaches, standardisiertes
Mangelernährungs-Screening innerhalb 48 Stunden nach Spitaleintritt durchgeführt werden.
Der totale tägliche Energiebedarf kann bei polymorbiden Patienten > 65 Jahren mittels
gewichtsbasierter Formel „27 – 30 kcal/kg Körpergewicht (KG)“ geschätzt werden. Der
tägliche Proteinbedarf kann mit „≥ 1,0 g/kg KG“ geschätzt werden. Primär sollte eine
orale Ernährung angestrebt werden, welche bei Bedarfsabdeckung < 75 % auf eine enterale
oder parenterale eskaliert werden kann. Orale Nahrungssupplemente sollte als eine
kosteneffektive Intervention zur Verbesserung des Ernährungszustands in Betracht gezogen
werden.
Schlussfolgerungen Trotz methodischen Herausforderungen aufgrund der heterogenen Patientenpopulation
und dem Fehlen großer Interventionsstudien ist es der Arbeitsgruppe gelungen, evidenzbasierte
Empfehlungen zur nicht-krankheitsspezifischen Ernährungstherapie bei polymorbiden
Patienten zu erarbeiten. Als Resultat sind 22 praktische Empfehlungen und 4 Stellungnahmen
entstanden, welche im klinischen Alltag im Umgang mit mangelernährten, hospitalisierten,
polymorbiden Patienten genutzt werden können. Einige Fragen bleiben bei mangelnder
oder fehlender Evidenz offen und benötigen noch weiterer Untersuchungen.
Abstract
Background In daily clinical practice, malnutrition is a frequent problem and associated with
complications, longer hospitalizations and poor outcomes. Polymorbidity is highly
prevalent, particularly in medical inpatients. Nonetheless, clinical guidelines largely
address individual diseases and rarely account for polymorbidity. The aim of this
project was to develop guidelines on nutritional support for polymorbid inpatients
in medical wards. This review is a German translation of a recently published guideline.
Methods The working group developed twelve key clinical questions addressing several aspects
of nutritional support: indication, route of feeding, energy and protein requirements,
micronutrient requirements, disease-specific nutrients, timing, monitoring and procedure
of intervention. Systematic literature searches were conducted in three databases
(Medline, Embase and the Cochrane Library), as well as in secondary sources (e. g.
published guidelines). Relevant studies were selected to develop recommendations.
Results In polymorbid inpatients a simple standardized screening for malnutrition should be
performed within 48 hours. The total daily energy expenditure can be estimated with
“27 – 30 kcal/kg bodyweight (BW)”, the daily protein requirement with “≥ 1.0 g/kg
BW”. Oral nutritional supplements should be considered as a cost-effective intervention
to improve outcomes. If nutritional requirements cannot be met orally (< 75 %), enteral
or parenteral nutrition can be administered.
Conclusions Despite methodological challenges due to the heterogeneity of the patient population
in question and missing large randomized interventional studies, the working group
developed evidence-based guidelines for non-disease-specific nutritional therapy in
polymorbid inpatients. As a result, they drafted 22 practical recommendations and
four statements for use in daily clinical practice. There are still unanswered questions
due to insufficient or missing data and further interventional studies are needed.
Schlüsselwörter
Leitlinien - hospitalisierte Patienten - Mangelernährung - Multimorbidität - Polymorbidität
- Ernährungstherapie
Keywords
guidelines - hospitalized patients - malnutrition - multimorbidity - polymorbidity
- nutritional support