Suchttherapie 2018; 19(01): 53
DOI: 10.1055/s-0043-124060
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Bericht zum 15. Treffen der Leitenden PsychologInnen (dg sps)

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Publication Date:
09 February 2018 (online)

Am 14.11.2017 fand die 15. Arbeitstagung der Leitenden PsychologInnen der Deutschen Gesellschaft für Suchtpsychologie statt, diesmal mit Beteiligung von 20 interessierten FachkollegInnen in den MEDIAN Kliniken Daun - Thommener Höhe. Jährlich lädt die dg sps Leitende PsychologInnen aus dem stationären wie ambulanten Bereich zu diesem Treffen ein. Dabei geht es zum einen um die Diskussion aktueller fachlich relevanter Themen, zu anderen um den Austausch zu berufspolitischen Fragestellungen. Insbesondere die konkreten Implikationen für die berufliche Praxis, aber auch Fragen mittel- und langfristiger inhaltlicher wie politischer Entwicklungen und Ausrichtungen werden diskutiert. Dazu werden u. a. Workshops und Vorträge anerkannter ReferentInnen zu jeweils ausgewählten Themen angeboten. In diesem Jahr stand das Thema „Risiko- und Suchtpotenziale neuer elektronischer Medien“ im Vordergrund. Herr Dr. Dipl.-Psych. Klaus Wölfling, Leiter der Ambulanz für Spielsucht an der Universität Mainz und national wie international renommierter Experte für Pathologisches Glücksspiel und Pathologischen PC-/Internetgebrauch war als externer Referent eingeladen. In seinem Vortrag ging er auf aktuellen Forschungsstand, Diagnostik, Klassifikation und Behandlungsansätze bei der exzessiven Nutzung von Handy, PC und Internet ein. Herr Dr. Wölfling zeigte zu Beginn den Spannungsbogen auf zwischen der unaufhaltsamen Digitalisierung aller Lebensbereiche einerseits und dem damit verbundenen Risiko exzessiver Nutzung digitaler Medien sowie den Auswirkungen auf die psychische und körperliche Gesundheit andererseits. Internetsucht manifestiere sich demnach in den 5 Subtypen Online-Computerspielsucht, Sucht nach Sozialen Netzwerken-Seiten, Online-Sexsucht, Online-Kaufsucht und Online-Glücksspielsucht. Zur Online-Glücksspielsucht beschrieb Herr Dr. Wölfling u. a. neuropsychologische Befunde, die deutliche Übereinstimmungen mit substanzgebundenen Abhängigkeitserkrankungen belegen. Vor diesem Hintergrund sei die geplante diagnostische Einstufung im kommenden ICD-11 als „Gaming Disorder“ innerhalb der Klasse der Substanzbezogenen bzw. Abhängigen Verhaltensweisen folgerichtig. Neben epidemiologischen Daten und pathogenetischen Modellen stellte er den Behandlungsansatz der Ambulanz für Spielsucht der Universitätsklinik Mainz vor, bei dem ein eigens entwickeltes Expositionstraining im Mittelpunkt der Behandlung steht.

Im Rahmen des zweiten Themenschwerpunktes beleuchtete Peter Missel, Präsident der dg sps, verschiedene Aspekte „Zur Stellung des Psychologischen Psychotherapeuten in der Suchtkrankenhilfe“. In seinem Vortrag stellte Peter Missel zunächst fest, dass die maßgeblichen Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-5 Suchterkrankungen eindeutig als „Psychische Störungen“ einordnen, so dass folgerichtig von einer „Psychotherapie der Sucht“ gesprochen werden müsse. Dieser Einordnung müsse angesichts eines traditionellen Sonderversorgungssystems Sucht zukünftig konsequenter Rechnung getragen werden. Insbesondere den Psychologischen Psychotherapeuten, sowohl in ambulanten wie auch in stationären Settings, komme hierbei, in Vermittlung und Behandlung der Patienten, eine zentrale Rolle zu. Dabei seien jedoch wesentliche, fachlich begründete Forderungen immer noch nicht umgesetzt, so z. B. die psychotherapeutische Verordnung medizinischer Rehabilitation auch für Leistungen nach dem SGB VI. Immerhin sei für den ambulanten Bereich realisiert worden, dass Psychotherapie - unter Einschränkungen - auch bei Vorliegen einer Abhängigkeit bzw. gleichzeitiger Substitutionsgestützter Behandlung durchgeführt werden könne. Des Weiteren habe das Psychotherapeutengesetz bislang eher die Anliegen der ambulanten Psychologischen Psychotherapeuten fokussiert, die der angestellten Psychologischen Psychotherapeuten jedoch vernachlässigt. So müssten bsw. deren Kompetenzbereiche ausgedehnt, aber auch Weiterbildungsstellen gesichert werden. In der medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitserkrankter müssten vorrangig Psychologische Psychotherapeuten eingestellt werden, um einen fachlich angemessenen Versorgungsstandard zu gewährleisten. Hierzu sei auch auf die S3-Leitlinie zu verweisen. Die Psychologie als Wissenschaft wie auch Psychologische Psychotherapeuten hätten in Forschung und praktischer Weiterentwicklung bzw. Anwendung von Konzepten grundlegende Beiträge für die Suchtrehabilitation geleistet. Ihre fachspezifischen Kompetenzen in sämtlichen Bereichen der Suchtkrankenversorgung seien unverzichtbar. Somit sollten auch seitens der Leistungsträger Einsatz und Stellung der Psychologischen Psychotherapeuten in der Suchtrehabilitation besondere Würdigung im Sinne von Qualitätsmerkmalen erfahren, sowohl in fachlicher als auch in struktureller Hinsicht (personelle Anforderungen, Leitungsfunktionen).

Die abschließende Diskussion stellte Fragen und Möglichkeiten der weiteren Nachverfolgung der genannten Forderungen in den Fokus. Auch wenn hier „dicke Bretter“ zu bohren seien, überwogen Zuversicht und Optimismus.

Die nächste Arbeitstagung der Leitenden PsychologInnen (dg sps) findet am 21.11.2018 in den Kliniken Wied statt. Interessierte FachkollegInnen sind schon jetzt herzlich eingeladen. Programm und Anmeldeunterlagen werden rechtzeitig auf der Internetseite der dg sps veröffentlicht.

Patrick Burkard, Psychologischer Psychotherapeut, Vorstandsmitglied dg sps, Daun