Zeitschrift für Palliativmedizin 2018; 19(01): 1-2
DOI: 10.1055/s-0043-124779
Editorial
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Von der Charta zur Koordinierungsstelle für Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland

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Publication Date:
02 January 2018 (online)

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Franziska Kopitzsch

„Die Charta? Das ist doch die Broschüre, die in meinem Regal im Büro ganz unten verstaubt?“ werden Sie jetzt vielleicht denken … oft liegt die Charta an diesen staubigen Orten, weil Kolleginnen und Kollegen denken, dass die Charta nur eine von vielen Broschüren ist.

Aber die Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland ist viel mehr als nur eine Broschüre. Die Charta ist ein Werk, das durch 200 Expertinnen und Experten aus 50 gesellschafts- und gesundheitspolitisch relevanten Institutionen verfasst wurde und in dem der Ist-Zustand in der Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland dargestellt und in 5 Leitsätzen die Aufgaben, Ziele und Handlungsbedarfe formuliert wurden.

Der Charta-Prozess, der dieser Erarbeitung zugrunde liegt ist in seiner Organisation einzigartig. Den Trägern der Charta, der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, dem Deutschen Hospiz- und PalliativVerband und der Bundesärztekammer war es ein Anliegen, dass die Ziele der Charta

  • Förderung des internen Dialogs aller gesellschaftlich und gesundheitspolitisch relevanten Gruppen

  • Förderung der gesellschaftlichen Auseinandersetzung und Verankerung im öffentlichen Bewusstsein

  • Orientierung und Perspektiven für die weitere Entwicklung der Palliativ- und Hospizversorgung in Deutschland

  • Grundlage für politische Weichenstellung und Realisierung

  • Beteiligung an einem international viel beachteten Prozess sowie die

  • Auseinandersetzung mit den existenziellen Phänomenen Sterben, Tod und Trauer als wichtige gesellschaftliche Aufgabe

von allen gesellschafts- und gesundheitspolitisch relevanten Institutionen mitgetragen werden. Diese Vorgehensweise war insofern etwas Besonderes, da den Trägern klar war, dass die Leitsätze der Charta nur dann von Organisationen in Deutschland, welche mit der Betreuung von schwerstkranken und sterbenden Menschen beauftragt sind, mitgetragen werden, wenn sie auch an den Inhalten der Charta-Leitsätze mitgearbeitet haben.

Die Charta-Träger haben diese Institutionen an einen Runden Tisch eingeladen. Wer das ist? Das sind u. a. Verbände der Leistungsträger, wie GKV-Spitzenverband und weitere Leistungserbringer, die Deutsche Krankenhausgesellschaft, Vertreter der Gesundheitsministerien der Länder, der kommunalen Spitzenverbände, dem Deutschen Städtetag und Deutschem Landkreistag, aber auch Berufsverbände, wissenschaftliche Fachgesellschaften, Vertreter der Kirchen, der Freien Wohlfahrtspflege, sowie Patienten- und Betroffenen-Organisationen.

Aber die Charta-Träger wollten noch mehr. Sie wollten, dass sich alle Institutionen des Runden Tisches diesen Leitsätzen in Form eines Commitments verpflichtet fühlen. Dieser Konsens war eine Herausforderung. Wird nun deutlich, warum die Charta keine einfache Broschüre ist? Jeder Satz, jedes Satzzeichen … ja, sogar jedes Komma wurde mit 100 % Übereinstimmung beschlossen.

Dieser Charta-Prozess wurde zu einem engagierten Gemeinschaftsprozess, welcher auf unterschiedlichen politischen Ebenen Diskussionen angeregt hat. Das Hospiz- und Palliativgesetz (HPG) war auch ein Ergebnis des Charta-Prozess, denn die Verfasser des Gesetzes begründeten u. a. damit die Notwendigkeit für diese Gesetzesinitiative.

Um die Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland weiter voranzubringen, haben die Träger zusammen mit dem Runden Tisch Ende Oktober 2016 die Handlungsempfehlungen im Rahmen einer Nationalen Strategie veröffentlicht. Die Handlungsempfehlungen sind aufgeteilt nach 20 Themenschwerpunkten und untergliedert in Ausgangssituation, Ziel und Adressaten.

Wenn diese Handlungsempfehlungen nun Schritt für Schritt umgesetzt werden, dann wäre das ein außerordentlicher Erfolg für die Hospiz-und Palliativbewegung in Deutschland. Noch nie wurde eine Nationale Strategie von der Basis ausgerufen. Die Begrifflichkeit Nationale Strategie wird vorrangig von Bundesministerien oder der Bundesregierung verwendet. Eine gesamtgesellschaftliche Beteiligung an einer Nationalen Strategie hat die Chance ein „HPG 2.0“ zu ermöglichen.

Beteiligen Sie sich bereits heute an der Nationalen Strategie:

  • Unterzeichnen Sie die Charta!

  • Zeigen Sie, dass Sie die Nationale Strategie der Charta unterstützen und verwenden Sie das Unterstützer-Logo der Charta.

  • Seien Sie aktiv durch eine öffentlichkeitswirksame Unterzeichnung der Charta durch kommunale Verantwortungsträger, wie zum Beispiel Landräte und Bürgermeister und verleihen Sie damit auch Ihrem oft langjährigen Engagement im Bereich der Hospiz- und Palliativversorgung Ausdruck.

  • Beteiligen Sie sich mit der Datenerfassung im Wegweiser Hospiz- und Palliativversorgung, um für mehr Transparenz für Betroffene zu sorgen, Angebote der Hospiz- und Palliativversorgung wohnortnah zu finden!

  • Beteiligen Sie sich an Initiativen zur Umsetzung der Charta und ihrer Handlungsempfehlungen
    (Informationen finden Sie unter: www.koordinierung-hospiz-palliativ.de).

Im Sinne der Charta und des Runden Tisches geht es zukünftig um eine Begleitung und Evaluierung der Empfehlungen zu den Handlungsfeldern der Leitsätze. Hierzu bedarf es auch zukünftig der bundesweiten Koordinierung, bei der auch die Politik ihre Verantwortung wahrnimmt. Um die Erfahrungen des Charta-Prozesses aufzunehmen und wirksam werden zu lassen, wurde das Projekt „Koordinierungsstelle für Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland“ eingerichtet. Es wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Zeitraum von November 2016 bis September 2019 gefördert. Im Rahmen des Projekts sollen die bisher am Runden Tisch der Charta vertretenen Institutionen und Organisationen im Rahmen regelmäßiger Sitzungen in Form eines beratenden und unterstützenden Begleitgremiums im Umsetzungsprozess weiterhin einbezogen werden. Helfen Sie mit, die Charta und ihre Handlungsempfehlungen noch konsequenter in das öffentliche Bewusstsein zu bringen und tragen Sie dazu bei, dass sich die verantwortlichen Akteure weiter miteinander vernetzen und durch Austausch und Kooperation das Konzept einer nachhaltigen Hospiz- und Palliativkultur in ihren konkreten Arbeiten, Projekten und Initiativen verankert.

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Franziska Kopitzsch