Suchttherapie 2019; 20(01): 39-47
DOI: 10.1055/s-0044-100773
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erhebung von Ansätzen guter Praxis zur Integration Suchtkranker ins Erwerbsleben nach dem SGB II

Ergebnisse einer bundesweiten Befragung der JobcenterEvaluation of Good Practice of Job Integration of Persons with Addictive Behaviors according to the German Social Code SGB IIResults from a National Jobcenter Survey
Jutta Henke
1   GISS Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e.V. Bremen
,
Dieter Henkel
2   ISFF Institut für Suchtforschung University of Applied Sciences Frankfurt a.M.
,
Barbara Nägele
3   Zoom - Gesellschaft für prospektive Entwicklungen e.V. Göttingen
,
Alexandra Wagner
4   FIA Forschungsteam Internationaler Arbeitsmarkt GmbH Berlin
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Publication Date:
26 February 2018 (online)

Zusammenfassung

Ziel der Studie Es wurde untersucht, welcher Umsetzungsstand bei der Integration Suchtkranker ins Erwerbsleben im Rahmen des SGB II unter dem Blickwinkel guter Praxis im Jahr 2016 erreicht wurde und ob sich die Praxis der Jobcenter seit der ersten Studie zu diesem Thema im Jahr 2009 weiterentwickelt hat.

Methode Im Zentrum stand eine bundesweite standardisierte Online-Befragung der Jobcenter, von denen sich 325 (80%) von insgesamt 408 beteiligten. Gegenstand der Befragung waren: die personelle Ausstattung der Jobcenter, suchtspezifische Schulung der Fachkräfte, Fachkonzeptentwicklung, Kooperation mit der Suchtberatung, Verfahren zum Erkennen von Suchtproblemen, Umgang mit Sanktionen, Netzwerke im regionalen sozialen Hilfesystem, Kooperation mit der Suchtrehabilitation, Maßnahmen zur Gesundheitsförderung, Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen und Integration der suchtkranken SGB II-Beziehenden in Arbeit.

Ergebnisse Im Vergleich zu 2009 lassen sich 2016 teils deutliche, teils leichte Fortschritte in der Praxis der Jobcenter erkennen. So fiel auch die Einschätzung der Integrationschancen in den ersten Arbeitsmarkt durch die Jobcenter-Fachkräfte deutlich weniger pessimistisch aus. Keine Verbesserungen sind eingetreten u. a. beim Erkennen von Suchtproblemen und der Bearbeitung der Schnittstelle zur Suchtrehabilitation. In die lokalen sozialen Netzwerke sind die Jobcenter dagegen inzwischen gut eingebunden und kooperieren mit vielen externen Akteurinnen und Akteuren.

Schlussfolgerungen Es besteht in vielerlei Hinsicht nach wie vor großer Handlungsbedarf.

Abstract

Objectives The present paper examines the current state of practice of job centres in order to integrate persons with addictive behaviors into the labour market in relation to the SGB II benefit framework. In addition, the paper considers whether the practice of the job centres has developed further since 2009 when the first study on this topic was published.

Methods This research consisted of a national, standardised online survey sent out to all 408 job centres in Germany. 325 (80%) job centres responded to the survey. The survey considered the following: the specific infrastructure of the job centres, training provided to skill employees about addiction issues, development of professional support concepts, cooperation with addiction counselling facilities, procedures for the identification of addictive behaviors, procedures for handling sanctions, networking with regional social support systems, cooperation with addiction rehabilitation facilities, health promotion measures, job promotion measures, and the integration of SGB II recipients with addictive behaviors into the workplace.

Results The results of the 2016 survey show significant and modest improvements in the practice of job centres compared to 2009. The opportunities for integration into the labour market were also viewed less pessimistically by the job centre professionals than in 2009. No advances were noted in terms of the identification of addictive behaviors and the cooperation with rehabilitation facilities. Further reports showed increased collaboration with local social networks and various external actors.

Conclusion More steps need to be taken to advance the current good practice of job centres in several remaining areas.

 
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