Diabetologie und Stoffwechsel 2024; 19(S 01): S64
DOI: 10.1055/s-0044-1785361
Abstracts | DDG 2024
Poster
Posterwalk 8 – Diabeteskomplikationen, Begleiterkrankungen

Objektive vs. subjektive Quellen für Diabetes Distress: ein Präzisionsmedizinischer Ansatz mittels Ecological Momentary Assessment und CGM

Authors

  • Dominic Ehrmann

  • Bernhard Kulzer

  • Andreas Schmitt

  • Laura Klinker

  • Thomas Haak

  • Norbert Hermanns

 

Fragestellung Die Kombination von Ecological Momentary Assessment (EMA: tägliche Smartphone-basierte Befragung) und kontinuierlicher Glukosemessung (CGM) erlaubt die Durchführung von N=1 Analysen und die Identifikation von individuellen Zusammenhängen zwischen PRO und CGM-Parametern. In dieser Analyse wurde für jede Person untersucht, ob sich Diabetes Distress eher aus objektiven CGM-Parametern oder subjektiven Einschätzungen der Glukoseeinstellung speist. Die Assoziationen dieser individuellen Quellen mit klinisch-relevanten Variablen wurde untersucht.

Methodik Über 17 Tage wurden täglich subjektive EMA-basierte Erfahrungen mit dem Glukosemanagement (Belastung durch Hypoglykämie, Hyperglykämie und Glukosevariabilität) und objektive CGM-basierte Marker des Glukosemanagements (Zeit in Hypo- und Hyperglykämie, Glukosevariabilität) erfasst. Zudem wurde täglich genereller Diabetes Distress mittels EMA erhoben. Es wurde eine Multilevel-Regressionsanalyse durchgeführt, mit täglichem Diabetes Distress als abhängige Variable und den täglichen subjektiven und objektiven Marker des Glukosemanagements als unabhängige Variablen. Die individuellen Assoziationen der subjektiven bzw. objektiven Marker zum Diabetes Distress wurden pro Person bestimmt, um individuelle Zusammenhänge zu identifizieren. Die Assoziationen zwischen subjektiven und objektiven Distress-Quellen und dem psychosozialen Wohlbefinden 2 Monate später wurden untersucht.

Ergebnisse Daten von 379 Teilnehmenden der DIA-LINK1 und 2 Studien konnten analysiert werden (50,9% Typ-1-Diabetes, 92,9% Insulintherapie). Subjektive Belastungen durch Glukoseschwankungen (t=14,4, p<.0001) und Hyperglykämie (t=13,6, p<.0001) waren die stärksten Prädiktoren für täglichen Diabetes Distress, während die objektive CGM-basierte Glukosevariabilität nicht signifikant mit täglichem Distress verbunden war (t=1,13, p=0.26). Personen, bei denen subjektive Marker eine bedeutendere Quelle für Diabetes Distress waren, hatten zum Follow-up mehr depressive Symptome (DS: r=0,32), mehr Diabetes Distress (DD: r=0,39) und mehr Hypo-Angst (FoH: r=0,34) (alle p<.001). Personen, für die objektive Marker eine bedeutendere Quelle für Diabetes-Belastung waren, hatten zum Follow-up ein günstigeres psychosoziales Wohlbefinden (DS: r=-0,31; DD: r=-0,33; FoH: r=-0,27; p<.001).

Schlussfolgerungen Über alle Personen konnte gezeigt werden, dass subjektive Einschätzungen des Glukoseverlaufs bedeutsamere Prädiktoren von Diabetes Distress sind als objektive CGM-Parameter. Für jede Person konnte der individuelle Beitrag von subjektiven vs. objektiven Quellen von Diabetes Distress bestimmt werden. Für das langfristige psychosoziale Wohlbefinden schien es besser zu sein, wenn der Diabetes Distress aus den objektiven Glukosedaten kommt und nicht aus der subjektiven Interpretation. Dies zeigt die klinische Relevanz der individualisierten Identifikation von Quellen von Diabetes Distress und die Möglichkeiten des precision mental health.



Publication History

Article published online:
18 April 2024

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