Gesundheitswesen 2025; 87(S 01): S54
DOI: 10.1055/s-0045-1801999
Abstracts │ BVÖGD, BZÖG, DGÖG, LGL
02.04.2025
Sitzung 3
10:30 – 12:00

Wichtigkeit und Umsetzungsgrad von Empfehlungen zur Stärkung des Pandemiemanagements in Gesundheitsämtern: Ergebnisse einer Mixed-Methods-Studie unter ÖGD-Mitarbeitenden in Baden-Württemberg

Authors

  • M Steinisch

    1   Fachbereich Jugendamt und Gesundheitsamt, Stadt Mannheim, Mannheim
    2   Abteilung für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Zentrum für Präventivmedizin und Digitale Gesundheit (CPD), Medizinische Fakultät Mannheim, Universität Heidelberg, Mannheim
  • B Wrede

    1   Fachbereich Jugendamt und Gesundheitsamt, Stadt Mannheim, Mannheim
  • E Buck

    3   Abteilung für Prävention kardiovaskulärer und metabolischer Erkrankungen, Zentrum für Präventivmedizin und Digitale Gesundheit (CPD), Medizinische Fakultät Mannheim, Universität Heidelberg, Mannheim
  • M Eichinger

    3   Abteilung für Prävention kardiovaskulärer und metabolischer Erkrankungen, Zentrum für Präventivmedizin und Digitale Gesundheit (CPD), Medizinische Fakultät Mannheim, Universität Heidelberg, Mannheim
    4   Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz
  • H Richter

    2   Abteilung für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Zentrum für Präventivmedizin und Digitale Gesundheit (CPD), Medizinische Fakultät Mannheim, Universität Heidelberg, Mannheim
  • R Wendlinger

    2   Abteilung für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Zentrum für Präventivmedizin und Digitale Gesundheit (CPD), Medizinische Fakultät Mannheim, Universität Heidelberg, Mannheim
  • K Hoffmann

    2   Abteilung für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Zentrum für Präventivmedizin und Digitale Gesundheit (CPD), Medizinische Fakultät Mannheim, Universität Heidelberg, Mannheim
 

Einleitung: Ein effizientes Pandemiemanagement ist für eine erfolgreiche Bewältigung von Pandemien von entscheidender Bedeutung, wobei Gesundheitsämtern eine zentrale Rolle zukommt. Im Rahmen der COVID-19 Pandemie wurden die Gesundheitsämter vor große Herausforderungen gestellt. Innerhalb kurzer Zeit mussten sowohl Prozesse (z.B. Ermittlung von Kontaktpersonen) als auch Strukturen (z.B. Personal- und Organisationsstruktur in den Funktionsbereichen) angepasst werden. Eine umfassende Analyse aufgeworfener Herausforderungen und die darauf aufbauende Entwicklung praxistauglicher Lösungsansätze könnte einen Beitrag zur langfristigen Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) leisten. Im Rahmen einer Studie, die durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration aus Mitteln des Landes Baden-Württemberg unterstützt wurde, (1) identifizierten wir in einer qualitativen Studie Handlungsfelder, die für die Weiterentwicklung des Pandemiemanagements an Gesundheitsämtern relevant sein könnten, (2) entwickelten für einzelne Handlungsfelder praxisorientierte Handlungsempfehlungen und (3) untersuchten deren Wichtigkeit und Umsetzungsgrad aus Sicht von Führungskräften im ÖGD in Baden-Württemberg.

Methodik: Im Rahmen einer Mixed-Methods-Studie führten wir mit 21 Mitarbeitenden aus drei Gesundheitsämtern in Baden-Württemberg semistrukturierte Interviews zu wahrgenommenen Barrieren und Erfolgsfaktoren für ein gelingendes Pandemiemanagement (09/21-02/22). Die Interviews wurden mittels thematisch strukturierender Inhaltsanalyse nach Kuckartz ausgewertet. Insgesamt wurden 37 Handlungsfelder identifiziert, von denen 21 Handlungsfelder externe Aspekte betrafen (u.a. amtsübergreifende Einheitlichkeit des Vorgehens; wir berichteten auf dem BVÖGD-Kongress 2023). Sechzehn Handlungsfelder betrafen interne Prozesse und Strukturen an Gesundheitsämtern (u.a. Standardisierung und Anpassung von Prozessen, Verfügbarkeit von Personal). Für die 16 internen Handlungsfelder wurden basierend auf den Interviewergebnissen praxisorientierte Handlungsempfehlungen entwickelt. Abschließend wurden die Leitungen aller 38 Gesundheitsämter und Vertreter*innen der vier Regierungspräsidien in Baden-Württemberg im Mai 2023 zu einer Onlineumfrage eingeladen, in der sie wahrgenommene Wichtigkeit und Umsetzungsgrad einschätzten (jeweils 4-stufige Likert-Skala). Die Ergebnisse wurden deskriptiv analysiert.

Ergebnisse: 35 Vertreter*innen aus Gesundheitsämtern und Regierungspräsidien nahmen an der Umfrage teil. Im Durchschnitt wurden die Handlungsempfehlungen von 89 % der Teilnehmenden als eher oder sehr wichtig eingestuft (Spannweite: 71 – 100 %). 49 % der Teilnehmenden gaben an, dass die Handlungsempfehlungen in ihren Gesundheitsämtern teilweise oder vollständig umgesetzt wurden. Es zeigte sich eine große Heterogenität zwischen verschiedenen Handlungsempfehlungen hinsichtlich des Umsetzungsgrads (Spannweite: 13 – 94 %). Die Wichtigkeit der Empfehlungen wurde häufig deutlich höher eingestuft als der wahrgenommene Umsetzungsgrad. Besonders ausgeprägt war die Diskrepanz bezüglich der Verfügbarkeit eines schriftlichen Konzepts zur raschen Aufstockung von Personal im Pandemiefall (Wichtigkeit: 92 %, teilweise oder vollständige Umsetzung: 13 %). Für einzelne Empfehlungen zeigten sich geringe Unterschiede zwischen der Wichtigkeit und dem wahrgenommenen Umsetzungsgrad (u.a. Vorhandensein eines Konzepts für regelmäßige und niederschwellige Austauschformate innerhalb des Gesundheitsamts; Wichtigkeit: 97 %, teilweise oder vollständige Umsetzung: 94 %).

Schlussfolgerung: Die Wichtigkeit, die den Empfehlungen von einem Großteil der Führungskräfte an Gesundheitsämtern und Regierungspräsidien in Baden-Württemberg beigemessen wurde, weist auf ihre regionsübergreifende Relevanz für ein gelingendes Pandemiemanagement hin. Die beträchtlichen Unterschiede zwischen Wichtigkeit und wahrgenommenem Umsetzungsgrad machen zudem den Handlungsbedarf deutlich, wobei unterschiedlich stark ausgeprägte Diskrepanzen die Priorisierung von Handlungsfeldern erlauben. Durch die Beteiligung fast aller Gesundheitsämter an der Umfrage liefert die Studie wertvolle Hinweise zur Weiterentwicklung des ÖGD im Sinne einer gestärkten Pandemic Preparedness in Baden-Württemberg und im übrigen Bundesgebiet.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
11. März 2025

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