Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 1999; 34(8): 463-474
DOI: 10.1055/s-1999-204
ORIGINALIA
Georg Thieme Verlag Stuttgart ·New York

Zur Erinnerung an August Bier (1861 - 1949)

In Memory of August Bier (1861 - 1949).G. Georig, J. Schulte am Esch
  • Klinik für Anästhesiologie (Direktor: Prof. Dr. med. J. Schulte am Esch) Universitäts-Krankenhaus Eppendorf, Hamburg
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Dezember 1999 (online)

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Zusammenfassung.

„Ein Professor ist ein Herr, der anderer Ansicht ist” - dieser markante und sarkastische Ausspruch, den der Chirurg August Bier wiederholt in seinen Vorlesungen zitiert hat, trifft in vieler Hinsicht auch auf den Wegbereiter der Lumbal- und intravenösen Lokalanästhesie selbst zu. Über Jahrzehnte hat Bier, der 1861 geboren wurde, mit seinen Beiträgen in vielfältiger Weise die Chirurgie, die Anästhesie und die Allgemeinmedizin beeinflußt. Als Schüler des Kieler Chirurgen Friedrich von Esmarch konnte er sich bereits nach knapp zwei Jahren für das Fach Chirurgie habilitieren. 1899 erhielt er einen Ruf auf das Ordinariat für Chirurgie an der Universität in Greifswald, wechselte aber 1903 an die Bonner Universität, um dann 1907 die Nachfolge von Ernst von Bergmanns an der renommierten Klinik in der Ziegelstraße in Berlin anzutreten. Die Gedankengänge der griechischen Philosophen Heraklit und Hippokrates prägten seine teleologische Betrachtungsweise der Medizin und beeinflußten seine Reizkörper- und Hyperämietherapie nachhaltig. Beide Themenbereiche haben ihn ebenso wie die Homöopathie zeitlebens beschäftigt. Interessen, die bei seinen chirurgischen Kollegen zumeist nur wenig Verständnis fanden. Uneingeschränkte Zustimmung fand hingegen die in zahlreichen Auflagen erschienene von ihm mit verfaßte Chirurgische Operationslehre. Seine Publikationen, in denen er sich mit philosophischen Fragestellungen auseinandersetzte, sind auch heute noch als aktuell zu bezeichnen, ebenso seine forstwirtschaftlichen Konzepte, die er auf seinem 1912 erworbenen Landgut in Sauen verwirklichen konnte. Als Bier 1932 emeritiert wurde, hatte er sich schon weitgehend aus dem klinischen Alltag zurückgezogen und lebte auf seinem Gut. Hier verstarb er 88jährig 1949, weltweit hochgeehrt als bionomer Denker, Arzt und Forstwissenschaftler. Im folgenden soll auf die weniger bekannten Facetten des Chirurgen August Bier hingewiesen werden, eines Forschers, der unser Fachgebiet um die Jahrhundertwende mit der Einführung der Spinal- und intravenösen Anästhesie bereichert hat. Nicht alle Leistungen des unermüdlich und rastlos arbeitenden, zuweilen auch unbequemen Chirurgen können hier gewürdigt werden, eines Forschers, für den aber immer eine Aussage gelten konnte: „Ein Professor ist ein Herr, der anderer Ansicht ist.”

„A professor is a gentleman of different opinion” this striking and sarcastic remark, which the surgeon August Bier often quoted in his lectures, can be applied to the pioneer of the lumbar and intravenous local anesthesia himself. Bier, born in 1861, in many ways influenced surgery, anesthesia and general medicne with his contributions through the decades. A student of the Kieler surgeon Friedrich von Esmarch, he habilitated after only two years. 1899 he received a call to the university in Greifswald, went to Bonn University in 1903 and finally in 1907 became the successor of Ernst von Bergmann in the acclaimed Klinik in der Ziegelstraße in Berlin. The philosophic thoughts of Heraklit and Hippokrates influenced his own teleologic view of medicine and his (Reizkörper) and hyperemia therapy. He kept his interest in both subjects as well as in homeopathy throughout his life; an interest few of his surgical colleagues shared. His Chirurgische Operationslehre (Surgical Theory) however, which appeared in countless editions, met with undiluted consent. His publications on philosophic questions are still of interest today, as are his concepts on forestry which he could apply to his own estate in Sauen. When Bier was emerited in 1932 he was almost completely retired and lived on his estate. He dies there in 1949 at the age or 88, respected world-wide as a bionomic thinker, surgeon and expert on forestry. In the following we wish to point out the lesser known aspects of the surgeon August Bier, who enriched our special field by introducing spinal and intravenous anesthesia into it at the turn of the century. It is not possible to acknowledge all of the achievements of this restlessly working, sometimes difficult surgeon, this scientist to whom always could be applied: „A professor is a gentleman of different opinion!”

Literatur

Dr. med. M. Goerig

Klinik für Anästhesiologie Universitäts-Krankenhaus Eppendorf, Hamburg

Martinistraße 52

D-20240 Hamburg