Zusammenfassung
Hintergrund: Die Lyme-Borreliose wird als eine mögliche Ursache für die akute Innenohrschwerhörigkeit
und den akuten peripheren isolierten Vestibularisausfall diskutiert. Über die Notwendigkeit
einer serologischen Diagnostik und deren therapeutische Konsequenzen gibt es gegensätzliche
Auffassungen.
Patienten und Methoden: In der vorliegenden Studie wurden 344 Patienten mit akuter Innenohrschwerhörigkeit
sowie 66 Patienten mit akutem peripherem isolierten Vestibularisausfall retrospektiv
betrachtet. Die Ermittlung der spezifischen Prävalenzen von IgG- und IgM-Antikörpern
im Serum gegen die Spirochäten erfolgte mittels ELISA (Enzygnost® Borreliosis, Dade
Behring Marburg). Die Häufigkeiten beider Erkrankungen wurden mit den Literaturangaben
verglichen. Neurootologische Befunde von seropositiven Patienten wurden denen von
seronegativen Patienten gegenübergestellt und statistisch analysiert.
Ergebnisse: Bei 15,7 % der Patienten mit einer akuten Innenohrschwerhörigkeit konnten IgG-Antikörper
gegen Borrelia burgdorferi nachgewiesen werden. Der IgM-Titer war bei 4,7 % der Patienten
erhöht. Die Seroprävalenzen für IgM und IgG lagen leicht über den in der Literatur
beschriebenen Prozentsätzen für die klinisch unauffällige Bevölkerung. Erkrankte mit
IgM-Antikörpern zeigten gegenüber den IgG-positiven öfter apikocochleär betonte Hörstörungen.
Patienten mit akutem peripheren isoliertem Vestibularisausfall hatten häufiger IgG-Antikörper
gegen Borrelien (18,2 %) als Gesunde. Der IgM-Titer lag bei ihnen mit 1,5 % im Rahmen
der Literaturangaben für scheinbar Gesunde. Die seropositiven Erkrankten zeigten bei
beiden Krankheitsbildern keine bedeutsamen neurootologischen Befundunterschiede im
Vergleich zu den seronegativen Erkrankten.
Schlussfolgerungen: Die leicht erhöhten Seroprävalenzen könnten dafür sprechen, dass Borrelieninfektionen
eine mögliche, seltene Ursache für die akute Innenohrschwerhörigkeit sowie den akuten
peripheren isolierten Vestibularisausfall sind. Hörstörungen im Tieftonbereich scheinen
ein neurootologisches Kriterium darzustellen, das auf eine Borreliose hinweisen kann,
wenn seropositive Titer vorliegen. Beim Nachweis von IgM-Antikörpern ist eine orale
Antibiotikatherapie (Doxycyclin, Cefuroxim) zu empfehlen. Auch eine isolierte IgG-Titererhöhung
kann für eine präsente Infektion sprechen. Bei Patienten mit akutem peripherem isolierten
Vestibularisausfall sollte eine Neuroborreliose mittels Lumbalpunktion ausgeschlossen
werden.
Abstract
Background: Lyme disease has been described as one possible cause of sudden sensorineural hearing
loss and vestibular neuronitis. The necessity of serological diagnosis and its therapeutic
consequences have been discussed controversially.
Patients and Methods: 344 patients with acute sensorineural hearing loss and 66 patients with vestibular
neuronitis were examined in retrospect. By means of ELISA (Enzygnost® Borreliosis,
Dade Behring Marburg) the specific prevalences of IgG- and IgM-antibodies against
borrelia in serum were evaluated. The frequency of seroprevalences for both diseases
were compared to those given in the literature. Neurootological findings of the seropositive
patients were compared with those of seronegative and analysed statistically.
Results: 15,7 % of the patients with sudden sensorineural hearing loss had positive levels
of IgG-antibodies. IgM-titers were elevated in 4,7 % of the patients. The seroprevalences
for IgM and IgG were above those described by other investigators for the healthy
population. Patients with positive IgM-antibodies showed more often low frequency
hearing loss than IgG-positive patients. 18,2 % of the patients with neuronitis vestibularis
had IgG- and 1,5 % IgM-antibodies against Borrelia. Whereas IgG occurred more often
than known for the healthy population, IgM was within the limit for the healthy population.
The seropositive group did not show any remarkable neurootological signs compared
with the seronegative group.
Conclusions: Because of the elevated seroprevalences Borrelia infections may be one possible but
very rare cause of sudden sensorineural hearing loss and vestibular neuronitis. Low
frequency hearing loss may be a sign for an infection with Borrelia as an etiological
factor especially in combination with seropositive titers. In case of the presence
of IgM-antibodies, patients may be treated with oral antibiotics (Doxycyclin, Cefuroxim).
In patients with neuronitis vestibularis a neuroborreliosis should be excluded by
means of lumbar puncture.
Schlüsselwörter
Lyme-Borreliose - Schwindel - peripherer Vestibularisausfall - Hörsturz - Innenohrschwerhörigkeit
Key words
Lyme disease - vertigo - sudden sensorineural hearing loss - neuronitis vestibularis