Z Gastroenterol 2003; 41(9): 963-964
DOI: 10.1055/s-2003-41830
Leserbrief
© Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kosten der allgemeinmedizinischen Versorgung von Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen

Cost of General Medical Care of Patients Suffering from Chronic Inflammatory Bowel DiseaseB. Bokemeyer1
  • 1Gastroenterologische Fachpraxis, Fachgruppenkoordinator Fachgruppe CED im bng
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
17. September 2003 (online)

A. Beiche et al., Z Gastroenterol 2003; 41: S. 527-536

In dem Beitrag von A. Beiche et al. [2] werden die Kosten von Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen in allgemeinärztlichen Praxen erhoben. Dieses Projekt, nämlich die genaue Kostenerfassung der bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen notwendigen Leistungen, ist sehr notwendig und interessant, da diese Patienten zwar bezüglich der Zahl nicht sehr häufig sind, aber doch einen sehr großen Anteil z. B. auch des medikamentösen Budgets ambulanter Arztpraxen ausmachen können.

Um die Kosten der allgemeinmedizinischen Versorgung von Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen erheben zu können, wurden 100 Allgemeinarztpraxen ausgewählt. Es wurden in diesen 100 Allgemeinarztpraxen 191 Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa und Morbus Crohn) kontrolliert und in die Analyse einbezogen.

Analysiert man die erhobenen Daten genauer, muss man die Frage stellen, ob hier ein repräsentatives Kollektiv von CED-Patienten oder entsprechend repräsentative Arztpraxen gewählt wurden, um die durchschnittlichen Kosten von CED-Patienten in der ambulanten Praxis abschätzen zu können. Durchschnittlich wurden nur 1,9 CED-Patienten in diesen Praxen pro Jahr behandelt. Hierin zeigt sich deutlich, dass diese Praxen sicherlich keinen entsprechenden Schwerpunkt bezüglich der Behandlung von CED-Patienten haben. In diesen Praxen wurden überwiegend keine schweren Verläufe einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung behandelt, die auch entsprechend mehr medikamentöse und diagnostische Notwendigkeiten verursacht hätten. Das fehlende Spektrum von schweren CED-Patienten bzw. die möglicherweise nicht ausreichende Therapie von schwerer verlaufenden CED-Patienten spiegelt sich auch darin wider, dass der Anteil von Immunsuppressiva bei Morbus-Crohn-Patienten nur bei 13 % und bei Colitis ulcerosa nur bei 7 % lag. In anderen Untersuchungen werden weitaus höhere Zahlen für die Therapie mit Immunsuppressiva (Morbus Crohn ca. 50-60 % und Colitis ulcerosa 15-20 %) angegeben. Zum anderen zeigt sich auch in der Aufschlüsselung der Laborleistungen, dass hier nicht unbedingt eine spezialisierte Diagnostik durchgeführt wurde. Nach diesen Angaben wurden in diesen Praxen für die CED-Patienten nahezu 30 % ihres gesamten Laborbudgets für die Durchführung von Hämokkulttesten verbraucht.

In dieser Untersuchung von A. Beiche werden Medikamentenkosten von 613,40 €/Jahr/CED-Patient angegeben. Die Medikamentenkosten für die Colitis-ulcerosa-Patienten liegen bei 671,34 €/Jahr/Patient und die Kosten für die Morbus-Crohn-Patienten bei 544,15 €/Jahr/Patient. Damit ergeben sich durchschnittliche Quartalskosten für die medikamentöse Versorgung von etwa 150 € pro CED-Patient in dieser Studie. Wenn man dies mit den früheren Untersuchungen anderer Autoren vergleicht, finden sich dort viel höhere Werte.

Hierin ist auch das Problem dieser Untersuchung zu sehen. Wenn man nur unkritisch diese Medikamentenkosten z. B. für Prüfungen anderer Praxen mit einem CED-Schwerpunkt durch Krankenkassen übernimmt, könnte sich hier ein schiefes Bild ergeben, da dann angenommen werden könnte, dass die durchschnittlichen Medikamentenkosten für CED-Patienten bei 150 €/Patient/Quartal liegen müssten. Diese Kosten liegen aber durchschnittlich je nach Untersuchung eher um das Zwei- bis Dreifache höher. Nach einer auch zitierten Untersuchung von Hanauer/Hay aus dem Jahr 1998 liegen die durchschnittlichen Kosten für den Morbus Crohn bei etwa 280 €/Patient/Quartal [4]. In einer eigenen Untersuchung, die im Jahr 2002 in der Zeitschrift Verdauungskrankheiten publiziert wurde, konnten die Medikamentenkosten für CED-Patienten auf etwa 500 €/CED-Patient/Quartal beziffert werden [3]. Auch andere Untersuchungen kommen zu ähnlichen Zahlen. Eine englische Untersuchung fand durchschnittliche Medikamentenkosten für den Morbus Crohn von 280 €/Patient/Quartal und für die Colitis ulcerosa von 220 €/Patient/Quartal [1]. In dieser Zeitschrift wurde im April 2002 eine Arbeit von M. Rösch über die Kostenerfassung bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen publiziert. Hier wurden die Kosten der Ulmer Universitätsklinik analysiert. Es wurden Medikamentenkosten von 8,22 € pro Tag berechnet. Dies wären durchschnittliche Medikamentenkosten von 740 €/ CED-Patient/Quartal [5].

Alle zitierten Untersuchungen weisen deutlich höhere Medikamentenkosten als die vorliegende Studie von A. Beiche für die CED-Behandlung auf. Diese Studien spiegeln sicherlich besser die Medikamentenkosten der CED-Patienten wider bei teils leichter, teils aber auch deutlich schwerer erkrankten Patienten. Um aktuellere Zahlen zu haben, wurde kürzlich von der Fachgruppe „chronisch entzündliche Darmerkrankungen” im Berufsverband Niedergelassener Gastroenterologen Deutschlands (bng) eine Umfrage bezüglich der Behandlungsfrequenz und der Medikamentenkosten von Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen in bng-Praxen durchgeführt (Fachgruppenkoordinator: B. Bokemeyer). Die vorläufigen Ergebnisse möchte ich kurz darstellen.

Bei dieser Umfrage im Berufsverband Niedergelassener Gastroenterologen Deutschlands (bng) konnten die Daten von 87 gastroenterologischen Fachpraxen analysiert werden. In diesen Praxen wurden durchschnittlich 67 CED-Patienten/Quartal/Praxis behandelt. Die Verteilung war nicht sehr homogen. Es gab 19 auf die Behandlung von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen spezialisierte Praxen, die über 100 CED-Patienten/Quartal behandelten. 25 Praxen behandelten 55-99 CED-Patienten/Quartal, 35 Praxen 20-49 CED-Patienten und 8 Praxen behandelten auch weniger als 20 CED-Patienten/Quartal. Aus diesen Zahlen ist aber zu ersehen, dass man sicherlich mit einer durchschnittlichen Patientenzahl von 1,9 CED-Patienten/Praxis wie in der vorliegenden Studie keine repräsentative Aussage machen kann. Die Kompetenz der medizinischen Behandlung in den bng-Praxen wurde auch dadurch dokumentiert, dass bei dieser Untersuchung 45,2 % der behandelten Patienten mit Morbus Crohn und 14,6 % der Colitis-ulcerosa-Patienten immunsuppressiv behandelt wurden. In dieser Erhebung wurden auch die durchschnittlichen Medikamentenkosten der CED-Patienten erfragt. Die Angaben von 25 gastroenterologischen Praxen mit einer durchschnittlichen Patientenzahl von 111 CED-Patienten/Quartal/Praxis wurden einbezogen. Die gesamten Kosten der eingeschlossenen 2765 CED-Patienten betrugen 925 000 €. Dies entspricht 335 €/Patient/Quartal. Damit kommt man wieder in ähnliche Kostenbereiche, wie sie oben in den anderen Arbeiten zitiert wurden. Es wurden auch die gesamten Medikamentenkosten der Praxis analysiert. Dabei fällt auf, dass die verursachten Medikamentenkosten der CED-Patienten insgesamt 28,3 % der gesamten Medikamentenkosten dieser gastroenterologischen Praxen bedingen und somit einen wesentlichen Faktor auch bei möglicherweise anstehenden Prüfungen der Medikamentenkosten durch die Krankenkassen darstellen. Rechnet man die hier genannten Zahlen mit etwa 67 CED-Patienten pro Praxis auf eine durchschnittliche anzunehmende Anzahl von ca. 600 gastroenterologischen Praxen in Deutschland hoch, so werden etwa 40 000 CED-Patienten in diesen gastroenterologischen Fachpraxen behandelt, was je nach angenommener Prävalenz der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen in Deutschland einen Anteil von 33-50 % der gesamten CED-Patienten in Deutschland ausmacht.

Da sehr viele CED-Patienten in gastroenterologischen Fachpraxen behandelt werden, ist es von großer Wichtigkeit, die entstehenden Medikamentenkosten entsprechend darzustellen und zu analysieren, damit nicht falsche Zahlen zitiert werden können, die dann eine sinnvolle weitere CED-Therapie auch von schwereren Verläufen im ambulanten Bereich unmöglich machen würden. Zusammenfassend gesagt, ist sicherlich die Untersuchung von Beiche über die Kosten in der allgemeinmedizinischen Praxis bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen sehr sinnvoll, sie spiegelt aber nicht das typische Krankheitsspektrum der Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wider und kommt deshalb zu falschen Ergebnissen insbesondere auch bei der Berechnung der Medikamentenkosten. Diese Medikamentenkosten/Quartal/CED-Patient dürften eher bei ca. 350 €/Quartal/CED-Patient als bei den in dieser Studie angegebenen 150 €/Quartal liegen.

Literatur

  • 1 Babu P S, Heatley R V. An evaluation of hospital costs for treating inflammatory bowel disase in UK.  Gastroenterology Suppl.4/2001; Abstract 3157: A-635.
  • 2 Beiche A, König H H, Ebinger M. et al . Kosten der allgemeinmedizinischen Versorgung von Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.  Z Gastroenterol. 2003;  41 527-536
  • 3 Bokemeyer B. Infliximab in der gastroenterologischen Fachpraxis: Verträglichkeit, Prognoseparameter und Kosteneffektivität.  Verdauungskrankheiten. 2002;  20 107-113
  • 4 Hanauer S B, Russel R D, Becker R V. et al . Advances in the management of Crohn’s disease: economic and clinical potential of Infliximab.  Clin Thera. 1998;  20 1009-1029
  • 5 Rösch M. et al . Kostenerfassung bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen durch direkte Patientenbefragung mit einem Kostenwochenbuch.  Z Gastroenterol. 2002;  40 217-228

Dr. med. Bernd Bokemeyer

Gastroenterologische Fachpraxis, Fachgruppenkoordinator Fachgruppe CED im bng

Uferstr. 3

32423 Minden

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