01 Benson K, Hartz A: A Comparison of Observational Studies and Randomized, Controlled
Trials. New Engl. J. Med. 2000; 342: 1878-1886. Concato J et al: Randomized, Controlled
Trials, Observational Studies and the Hierarchy of Research Designs. New Engl.
J. Med. 2000; 342: 1887-1892.
02 Christian Morgenstern: Die unmögliche Tatsache.
03 Beuth J: Editorial. Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2001; 3, im gleichen Tenor
auch 2001.
04 Hirshberg C, Barasch MI: Gesund werden aus eigener Kraft. Spontanheilungen bei
Krebs. München: Knaur; 1997.
04 Nicht nur, dass die Mehrzahl der Ärzte den Todkranken keine Hilfe bei der Bewältigung
ihrer Not waren: Die niederschmetternden Prognosen mussten erst überwunden werden,
damit sich ein ungebändigter Lebenswille entfalten konnte: „Herr Doktor, ich pisse
auf Ihr Grab!”
04 Die wenigen für die Wunderheilungen hilfreichen Ärzte müssten mit dem moralischem
Maßstab des Autors allesamt verurteilt werden. Sie bedienten sich durchweg nicht
evaluierter Methoden und verbreiteten einen grenzenlosen, ganz unkritischen Optimismus.
Einige haben glatt gelogen mit der Folge einer kompletten Remission. Die Gesetze
der Heilung sind seltsam!
04 Völlig verfehlt wäre es natürlich, aus diesen Fakten irgendeine Art „Lügenmoral”
zu begründen. Ich will damit nur sagen: Das Leben ist eine Kunst, die unter einem
höheren Anspruch steht als jede Wissenschaft und jede Moral.
04 Es ist der Anspruch der Freiheit.
05 Dank an Kollegen Reuther für den Hinweis.
06 Bei diesem Welt-Entwurf gibt es also ein aller Erkenntnis zugrunde liegendes
„Subjekt” und die Welt als „Objekt”, das sich dem weltlosen Subjekt gegenüberstellt.
Beide stehen nur in Beziehung über einen umstrittenen Erkenntnisverkehr.
06
Kant hat diesen Erkenntnisverkehr begrifflich geregelt. Er hat erkannt, dass sich
der Wissenschaftler keinesfalls von der Natur belehren lässt wie ein Schüler von
seinem Lehrer, sondern dass er sie, wie ein Richter den Zeugen, nötigt, auf seine
Fragen zu antworten: Wissenschaftliche Wahrheiten sind demnach erpresste Geständnisse
und nicht etwa Geheimnisse, die die Natur von sich aus offenbart. (Vorrede zur
zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft, Riga 1787)
06 Schon dieser gnadenlose Charakter wissenschaftlicher Fragen sollte uns sehr wachsam
machen, ob eine solche Erkenntnis der Sache der „Heilung”, die doch eher dem „Mitgefühl”,
der „Liebe” und der „Barmherzigkeit” entspringt, dient. Nur wenn sie diesem
Ziel tatsächlich dient, wollen wir ihr überhaupt Beachtung schenken. Keineswegs werden wir uns ihrem
Diktat unterwerfen und dabei Verrat an unserem ureigenen Auftrag üben!
06 Aber auch in der Geschichte des Denkens ist der Grundentwurf eines Abgrunds zwischen
„Subjekt” und „Objekt”, zwischen „Ich” und „Welt”, ein europäischer Irrweg, dem
jeder Realitätssinn fehlt. Der Mensch, das „Ich”, ist doch aus der „Welt”
hervorgegangen. Der Grundentwurf einer abgründigen Getrenntheit von „Ich” und
„Welt” ist an sich abartig. Realistischer ist die Identität oder zumindest die
Ursprungsverwandtschaft. Wir Ärzte wissen, wie armselig wir ohne Intuition sind,
d.h. ohne jenes unerklärliche „Gespür” für die Realität, und wie wir den Weg zu
unseren katastrophalsten Irrtümern mit „guten Gründen”, d.h. mit rationalen Erklärungen,
gepflastert haben!
06 Realistischer als die Differenz zwischen „Auge” und „Welt” ist die buddhistische
Einsicht: „Wenn ich den Berg sehe, bin ich der Berg”.
06 Auch auf europäischem Boden ist - zumindest im Mittelalter - eine solche Erkenntnis
gereift: Cognoscens et cognitum in actu cognoscendi sunt idem, „Der Erkennende und das Erkannte sind im Vollzug der Erkenntnis eins.” (Thomas v. Aquin. Dank an Herrn Prof. Dümpelmann, München, für das Stegreifzitat.)
07 Grossarth-Maticek R, Kiene H, Baumgartner SM, Ziegler R: Use of Iscador, an Extract
of European Misteltoe (Viscum Album), in Cancer Treatment: Prospektive Nonrandomizised
and Randomized Matched-Pair Studies Nested Within a Cohort Study. Alternative
Therapies 2001; 7 (3): 57-78.
08 Bei präaktiviertem Immunsystem führt jede weitere Stimulation eher zur Suppression.
Das ist eine alte Weisheit biologischer Ärzte, die eine kleine Pilotstudie mit
immunologischen Funktionstests bestätigte. (Thaller A: Eigenblut zur Immuntherapie
zwischen alter Erfahrung und moderner Laboranalytik. In: Gedeon W: Eigenbluttherapien
und andere autologe Verfahren. Heidelberg: Haug; 1999). Wenn also alle Patienten
unabhängig von ihrer biologischen Grundaktivität ein Thymuspräparat bekommen,
dann ist ein negatives Ergebnis noch kein Beweis seiner Wirkungslosigkeit, sondern
allenfalls ein Grund, die Indikation zu präzisieren!
09
Kempins vergleichende Studie zur Fiebertherapie und Radio-Chemotherapie versus reine
Radio-Chemotherapie wird von manchen Medizinischen Diensten von geringem methodischem
Reflexionsgrad wegen der geringen Fallzahl von 30 bzw. 26 Patienten in Frage gestellt.
In Wahrheit ist es gerade umgekehrt. Die Signifikanz trotz geringer Fallzahl ist
ein eindruckvoller Beleg für die Wirksamkeit der Fiebertherapie. (Kempin S,
Cirrincone C, Myers J, Lee III B, Straus D, Koziner B, Arlin Z, Gee T, Mertelsmann
R, Pinsky C, Comacho E, Nisce L, Old L, Clarkson B, Oettgen H: Combined Modality
Therapy of Advanced Nodular Lymphomas (NL): The Role of Nonspecific Immunotherapy
(MBV) as an Important Determinant of Response and Survival. Memorial Sloan-Kettering
Cancer Center, New York, N. Y. 10021. In: Proceedings of ASCO (American Society
of Clinical Oncology) 2 = 19, 56 (1983), C218. Diese Literaturstelle zeigt den
Stand nach 3 Jahren. Der Fünfjahresstand der Studie wurde an folgender Stelle
gezeigt: Oettgen HF, Old LJ, Hoffmann MK und Moore MAS: Antitumor effects of endotoxin:
possible mechanism of action. In: Homma Y, Kanegasaki S, Lüderitz O, Shiba T,
Westphal O: Bacterial Endotoxi., Weinheim; 1984: 205-221.
10 Beispiel: Die Elektroakupunktur nach Voll lässt viele Einwände unbeantwortet:
Die Manipulierbarkeit der Hautwiderstandsmessung durch verschiedenen Auflagedruck
und sogar durch die Erwartung des Arztes und des Patienten! Die Ergebnisse der
Testung sind nur selten reproduzierbar und vermutlich auch die therapeutischen
Ergebnisse. Trotz dieser theoretischen Einwände habe ich nun einen Elekroakupunkteur
getroffen, der sogar mit der vereinfachten Vega-Testung außerordentliche Therapieerfolge,
z.B. bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, erzielt. Dies ist durch eine unabhängige
Dissertation bestätigt worden (Schmitz O: Untersuchung zur Objektivierung der
Quecksilberbelastung als Ursache bei Symptomen der Colitis ulcerosa bzw. des Morbus
Crohn. Würzburg 1991). Offenbar ist für ihn die Messung des Hautwiderstandes mehr
ein Vorwand, ein Ritus, in dessen Schutz seine Intuition arbeiten kann!
10 Ähnliches trifft für die Homöopathie zu: Die Intuition spielt hier eine ganz
wesentliche Rolle. Eine methodisch vorbildlich durchgeführte Doppelblindstudie
bei Kopfschmerzen suchte jedoch gerade dieses wesentliche Moment des ärztlichen
Heilens systematisch auszuschalten: Jeder Fall wurde einem Kollegium vorgetragen.
Nur was der „reinen Lehre” entsprach, wurde akzeptiert. Dabei blieb natürlich
jede Intuition auf der Strecke. Da außerdem noch auf jegliche Einschränkung in
der Wahl der Mittel verzichtet wurde, also der gesamte Arzneischatz der homöopathischen
Repertorien zur Verfügung stand, blieb der gute alte Arztkoffer mit den „bewährten
Indikationen” ungeöffnet in der Ecke liegen. Somit kam auch die „Erfahrung”
zu kurz. Was soll uns wundern, wenn ohne „Erfahrung” und „Intuition” nichts mehr
herauskommt? (Walach H, Haeusler W, Lowes T, Mussbach D, Schamell U, Springer
W, Stritzl G, Gaus W, Haag G: Classical homeopathic treatment of chronic headaches.
Cephalalgia 1997; 17: 119-126.)
10 Die Italiener haben es etwas praktischer angestellt. 10 bewährte Kopfschmerzpräparate
wurden den Therapeuten zur Verfügung gestellt und ihnen freie Wahl gelassen, auch
zwei Mittel zu kombinieren, ein nicht ganz astreines, aber sehr bewährtes Verfahren.
So wurde ein hochsignifikantes Ergebnis im Doppelblindversuch erzielt! (Brigo
B et al: Le traitment homéopathique de la migraine: une étude de 60 cas, contrôlée
en double aveugle (remède homéopathique vs. placebo). J. Liga Med. Homeop. Intern.
1987; 1: 18-25.) Es ist in der Medizin viel leichter, ein falsch negatives als
ein falsch positives Ergebnis zu erzielen. Aus diesem Grunde heben sich zwei Studien
mit unterschiedlichen Ergebnissen keineswegs auf. Vorausgesetzt, dass sie das
gleiche Niveau in der Durchführung haben, wiegt die positive Studie eo ipso höher!
11 Nur wenige Ärzte machen sich Gedanken über grundsätzliche Fragen medizinischer
Erkenntnis. Zu diesen Ausnahmen gehört Gedeon W: Erfahrungsheilkunde und Naturheilverfahren.
Heidelberg: Haug; 1991.
12 Field, Lohr, Institute of Medicine. Guidelines for Clinical Practice: from Developement
to Use. National Academie Press, Washington d. C. 1992; 34. Zitiert aus: Gerlach
FM, Bahrs O, Fischer GD und Weis-Plummeyer M: Leitlinien für die hausärztliche
Praxis. Z. Allg. Med. 1995; 71: 950-956.
13 200 Mio. DM sind von einem Zytostatika-Produzenten an 200 Studienleiter bezahlt
worden, in einem Stadium, wo längst klar war, dass das Mittel keine Lebensverlängerung
mit sich bringt.
13 Es ist verständlich, wenn ein mit solchen Freuden überhäufter Professor nichts
über die „etablierte Therapie” kommen lässt. Mit der Zulassung eines Mittels hört
der Segen nicht auf. Jede Anwendung wird unter dem Namen einer „Beobachtungsstudie”
reichlich entlohnt. Derlei Verlockungen machen verständlich, dass sich die endlose
Zytostatika-Therapie fortgeschrittener Krebserkrankungen „bis zum bitteren Ende”
mit einer solchen Zähigkeit am Leben hält! Dies bringt die internistische Onkologie
in den Verruf einer „chemotherapeutischen Sterbebegleitung”.
14 Helsinki-Deklaration von 1964, Revision von 1996. Im Oktober 2000 ist sie noch
etwas präzisiert worden, ohne dass der Kern der Aussage dadurch berührt worden
wäre: „Bei der Behandlung einer Krankheit, für die es keine erwiesenen prophylaktischen,
diagnostischen und therapeutischen Methoden gibt oder diese keine Wirkung zeigten,
muss der Arzt mit der Einwilligung des Patienten nach Aufklärung die Freiheit
haben, nicht erprobte neue prohpylaktische, diagnostische und therapeutische Maßnahmen
anzuwenden, wenn sie nach dem Urteil des Arztes die Hoffnung bieten, das Leben
des Patienten zu retten, seine Gesundheit wiederherzustellen, oder sein Leiden
zu lindern.” (Absatz C, § 32).
15
Gallmeier im Vorwort zur deutschen Ausgabe von Hirshberg, Barasch: Gesund werden aus eigener
Kraft. Spontanheilungen bei Krebs. München, 1997, S. I.
16 Sie kommt zu der Einsicht: Jeder Gewinn ist mit einem Verlust verbunden. Was
ich dem Weiblein an Wissen voraus habe, das hat es mir an Intuition und Beobachtungsgabe
voraus. Die Gaben sind viel gerechter verteilt, als wir meinen. Wir müssen sie
nur zu würdigen wissen. Unsere Wertungen sind schief: Augenblicklich erfahren
die Gaben der Rhetorik und des logischen Denkens eine völlig ungerechtfertigte
Überbewertung. Sie überhäufen mich mit schmucken Titeln. Das Waldweib geht dabei
aber leider leer aus.
16 Nicht ganz so gewaltig, aber ähnlich ist der Unterschied zwischen theoretisch
überfrachtetem Universitätswissen und der Lebenserfahrung eines praktischen Arztes,
der ein Gespür dafür hat, was jetzt für den Patienten wesentlich ist.
17
Bert Brecht hat das am Beispiel von „arm” und „reich” so treffend gezeigt:
Reicher Mann und armer Mann
Standen da und sah'n sich an.
Und der Arme sagte bleich:
„Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich!”
18 Brief an den Präsidenten vom 1.11.99
Korrespondenzadresse
Arno Thaller
Arzt f. Allgemeinmedizin
In der Hölle 4
91801 Markt Berolzheim