Suchttherapie 2003; 4 - 4
DOI: 10.1055/s-2003-822284

Leitlinienforum der DGS – Thema Substitution

A Günthner 1, R Ullmann 2
  • 1Eußerthal
  • 2Hamburg

Wer entscheidet, wie eine Substitutionsbehandlung angemessen durchgeführt wird? Der Patient? Sein behandelnder Arzt? Eine Kommission? Ein Expertengremium? Die Kostenträger? Der Gesetzgeber?

Welche Entscheidungshilfen sind für die Betroffenen angemessen? Gesetze und Verordnungen? Richtlinien? Leitlinien? Empfehlungen? Der verfügbare finanzielle Rahmen? Die fachlichen Erwägungen des behandelnden Arztes? Die Patientenautonomie?

Wie gehen alle Beteiligten mit möglichen Ziel- und Interessenskonflikten und Dissens um? Welche Wege der Konfliktregelung, des Interessensausgleichs und der Konsensfindung schlagen sie ein?

Das Leitlinienforum der DGS zum Thema Substitution versucht, diese Fragen primär aus der Sicht suchtmedizinisch erfahrener Ärzte und Behandler zu beantworten, die aufgrund ihrer täglichen Praxis über einen großen Erfahrungshintergrund und viel Detailwissen zum Thema Substitution verfügen. Ziel ist hierbei vorwiegend die Konsensfindung im fachlichen Bereich zu der angemessenen ärztlichen Vorgehensweise bei der Substitutionsbehandlung opioidabhängiger Patienten.

Richt- und Leitlinien spielen für die medizinische Versorgung eine immer größere Rolle. Die Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und die Ärztliche Zentralstelle Qualitätssicherung (ÄZQ) haben ein „Leitlinien-Manual“ zur Entwicklung und Implementierung von Leitlinien in der Medizin herausgegeben. Dort sind Leitlinien definiert als

„systematisch entwickelte Entscheidungshilfen über die angemessene ärztliche Vorgehensweise bei speziellen gesundheitlichen Problemen“.

Was folgt daraus für die Substitutionsbehandlung?

Wie wenig andere Bereiche in der Medizin ist die Substitutionsbehandlung bereits stark reglementiert durch gesetzliche Vorgaben (BtMG, BtMVV) und Richtlinien (z.B. der Bundesärztekammer, des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen). Daraus ergeben sich folgende Fragen:

Können zusätzliche Leitlinien im Sinne von „Entscheidungs- und Orientierungshilfen“ die Substitutionsbehandlung verbessern?

Entsprechen die Richt- bzw. Leitlinien den aktuellen Behandlungsanforderungen an die Substitutionsbehandlung drogenabhängiger Patienten?

Welchen Einfluss haben die Erfahrungen aus der Praxis auf die Entwicklung und Weiterentwicklung entsprechender Richt- und Leitlinien?

Wo muss aus Sicht der praktisch substituierenden Ärzte ergänzt, differenziert, korrigiert werden?

Damit Leitlinien nicht als „von oben“ gesetzte Vorgaben verstanden werden, ist die Mitwirkung derjeniger, an die diese Leitlinien adressiert sind, von zentraler Bedeutung. Neben der Evidenzbasierung, die sich vorrangig an wissenschaftlichen Studien und methodischer Qualität orientiert, ist die Konsensqualität von Leitlinien wichtig. Unter Bezugnahme auf das „Recht der betroffenen Gruppen auf Partizipation und die Notwendigkeit der Beachtung grundlegender gesellschaftlicher Werte“ wird im „Leitlinien-Manual“ der AWMF konstatiert, dass „der einvernehmliche Konsens der maßgeblichen gesundheitspolitischen Akteure von zentraler Bedeutung“ ist. Und weiter: „Der Qualität der Konsensbildung wird daher eine mindestens ebenso wichtige Rolle beigemessen wie der Qualität der wissenschaftlichen Fundierung“.

Substituierende Ärzte spielen für die Konsensbildung eine wichtige Rolle. Sie können Auskunft darüber geben, inwieweit sich Richt- und Leitlinien unter der Vielfalt der möglichen Rahmen- und Praxisbedingungen bewähren. Ihr Erfahrungswissen muss deshalb eine Chance bekommen, in den Prozess der Entwicklung und Weiterentwicklung diesbezüglicher Leitlinien Eingang zu finden.

Das „Leitlinienforum der DGS – Thema Substitution“ richtet sich deshalb vorwiegend an Ärzte, die sich in der Substitutionsbehandlung drogenabhängiger Patienten engagieren und den Stellenwert bestehender Richt- und Leitlinien für ihre Praxis zusammen erörtern wollen.

Hierzu werden bestehende Richt- und Leitlinien zur Substitutionsbehandlung drogenabhängiger Patienten in einer kurzen Übersicht vorgestellt und danach anhand bereits oben genannter sowie folgender Fragen diskutiert:

  • Sind Richt- und Leitlinien zur Substitutionsbehandlung praxisadäquat? Berücksichtigen sie in angemessener Weise die Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und Konsequenzen bei der Substitutionsbehandlung drogenabhängiger Patienten?

  • Wo helfen diese Richt- und Leitlinien? Wo behindern sie? Wo sind sie zu allgemein? Wo sind sie zu eng?

  • Welche Erwartungen haben substituierende Ärzte hinsichtlich ihrer eigenen Rolle bei der Entwicklung und Weiterentwicklung von Leitlinien zur Substitution?

Die Ergebnisse der gemeinsamen Erörterung werden protokollarisch zusammengefasst und sollen zu der weiteren fachlichen Diskussion sowie zu einer planmäßigen Überarbeitung und Aktualisierung von Richt- und Leitlinien zur Substitution einen Beitrag leisten.