Psychother Psychosom Med Psychol 2004; 54 - P3586
DOI: 10.1055/s-2004-819802

Ausgeprägte Hypofrontalität als Korrelat einer zentral gesteigerten Schmerzwahrnehmung bei Patienten mit Somatoformer Schmerzstörung – eine fMRT-Studie

H Gündel 1, M Valet 2, C Sorg 1, D Huber 1, T Sprenger 2, T Tölle 2
  • 1Institut und Poliklinik für Psychosomatische Medizin, Psychotherapie und Medizinische Psychologie, Klinikum rechts der Isar, TU München
  • 2Neurologische Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts der Isar, TU München

Fragestellung: Aktuelle Studien zur differenziellen Wahrnehmung eines standardisierten Hitzeschmerzreizes belegen eine inhibitorische, vom orbitofrontalen (OFC, Bantick et al., 2002) bzw. vom dorsolateralen Kortex (DLPFC; Lorenz et al., 2003) deszendierende Top-down-Kontrolle der Schmerzverarbeitung auf den aszendierenden Midbrain-thalamus-cingulate-Weg der zentralen Schmerzleitung. Emotionale bzw. kognitive Selbstreflexivität (Frith & Frith, 1999; Fonagy, 2001) korreliert ebenfalls mit präfrontalen Aktivierungen. Wir vermuteten eine Veränderung der zentralnervösen Schmerzmatrix bei Patienten mit einer somatoformen Schmerzstörung. Methodik: Anhand von 16 Patientinnen (mittleres Alter 50,1J., SD 18,1) mit der SKID-I-Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung untersuchten wir mithilfe eines individualisierten Hitzeschmerz-Stimulus in der funktionellen Kernspintomographie (Siemens Symphony, 1,5T), welche neuronalen Korrelate der subjektiv gesteigerten Schmerzempfindung (mittlere Intensität VAS: 7,2–1,7) dieser Probandinnen zugrunde lagen. Die Ergebnisse wurden vorläufig verglichen mit den neuronalen Korrelaten von n=29 nicht altersgematchten männlichen Normalprobanden (mittleres Alter 32–10,9J SD) unter der Anwendung desselben Hitzeschmerz-Paradigmas (mittlere Schmerzintensität VAS: 5,6–1,6). Ergebnisse: Folgende ZNS-Areale innerhalb der zentralnervösen Schmerzmatrix zeigten bei den Patientinnen mit einer somatoformen Schmerzstörung auf dem Niveau von p<0,001 uncorr. signifikante Aktivierungen: Posteriore Insel (-36,-6,-9; z=5,3), Thalamus (12,-3,6; z=4,57), parahippocampaler Gyrus (-36,-39,-6; z=4,51), dorsaler ACC (6,3,42; z=3,92). Im Vergleich zu den n=29 Normalpersonen fiel ein völliges Fehlen präfrontaler Aktivierungen bei den Patienten mit somatoformer Schmerzstörung auf, während die Kontrollgruppe ausgedehnte Aktivierungen besonders des dorsolateralen präfrontalen Kortex (DLPFC) zeigte. Schlussfolgerung: Unser Ergebnis lässt einen weitgehenden Ausfall einer präfrontalen Top-Down-Kontrolle sowie eine verlagerte ACC-Aktivierung als neuronales Korrelat einer zentral gesteigerten Schmerzwahrnehmung bei Patientinnen mit somatoformen Schmerzen vermuten.

Es handelt sich um die Zwischenauswertung einer Studie, bei der die Untersuchung der Experimentalgruppe (=somatoforme Schmerzstörung) abgeschlossen ist. Als nächster Schritt werden die vorgelegten fMRT-Daten mit den hitzeschmerzinduzierten ZNS-Aktivierungen einer alters- und geschlechtsgematchten Kontrollgruppe von Normalpersonen verglichen. Auf das Anhängen eines einzelnen fMRT-Hirnschnittbildes haben wir verzichtet.