Psychother Psychosom Med Psychol 2004; 54 - P3612
DOI: 10.1055/s-2004-819811

Vorzeitiger Behandlungsabbruch von Patienten mit Adipositas und Binge Eating Disorder – Subjektive Gründe und Prädiktoren für einen Therapieabbruch

A Hillers 1, A Quenter 1, HC Friederich 1, S Schild 1, S Wilke 1, W Herzog 1, S Zipfel 1
  • 1Abteilung für Allgemeine Klinische und Psychosomatische Medizin, Medizinische Universitätsklinik Heidelberg

Fragestellung: Im Rahmen der Evaluation einer multimodalen ambulanten Interventionsstudie für Patienten mit Adipositas und Binge Eating Disorder (BED) wurden subjektive Gründe für einen Psychotherapieabbruch untersucht und die Ergebnisse im Hinblick auf die Bedeutung für die Behandlung von BED-Patienten betrachtet. Stichprobe: Zur Untersuchung wurden N=40 konsekutive BED-Patienten (33 weiblich, 7 männlich) eingeschlossen, die am Universitätsklinikum Heidelberg an einem neuentwickelten viermonatigen ambulanten Gruppentherapieprogramm speziell für BED-Patienten teilgenommen hatten. Methode: In einer Nachuntersuchung mittels eines halbstrukturierten Interviews und psychometrischer Tests konnten 7 der 9 Therapieabbrecher und 29 der 31 Therapievollender nach ihren Erfahrungen mit dem Programm und ihren Beweggründen, die Therapie abzubrechen beziehungsweise trotz Gedanken an Abbruch zu vollenden, befragt werden. Die Auswertung erfolgte u.a. mithilfe des qualitativ-explorativen Verfahrens der Grounded Theory (Glaser und Strauss, 1998) und einigen explorativen Testungen. Ergebnisse: Explorative Tests ergaben kaum Unterschiede zwischen Abbrechern und Vollendern hinsichtlich soziodemographischer, psychopathologischer und motivationaler Variablen. Die Abbruchrate war mit 22,5% gering. Es ergaben sich zwei Subgruppen von Abbrechern: a) BED-Patienten, die das Programm aus programmbedingten Gründen abbrachen und b) Patienten, die es aus externen Gründen frühzeitig beendeten. Das zur Systematisierung erstellte Kategoriensystem und die Typenbildungen weisen darauf hin, dass viele negative Erfahrungen zusammenkommen müssen, bis sich ein Patient zum Abbruch entscheidet. Das Verhältnis zum Therapeuten als auch zur Gruppe hat Einfluss auf die Entscheidung abzubrechen. Auch die jeweilige Indikationsstellung scheint für einen Psychotherapieabbruch mitverantwortlich zu sein, während eine erhöhte Prinzipiengeleitetheit möglicherweise protektiv wirkt. Entsprechende Hypothesen können die Grundlage für zukünftige prospektive Studien bilden. Der Indikationsstellung und der Zusammenstellung der Gruppe sollte noch mehr Beachtung geschenkt werden.