Psychother Psychosom Med Psychol 2004; 54 - P3584
DOI: 10.1055/s-2004-819817

Posttraumatische Symptomatik von Müttern 14 Monate nach der Geburt eines sehr kleinen Frühgeborenen

A Kersting 1, M Dorsch 1, I Hörnig-Franz 2, V Arolt 3
  • 1Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Münster
  • 2Klinik und Poliklinik für Kinderheilkunde
  • 3Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Universitätsklinikum Münster

Fragestellung: Die Frühgeburt eines Kindes bedeutet für Eltern ein traumatisches Lebensereignis, auf das sie sich häufig nicht vorbereiten können. Nur wenige Studien haben das Ausmaß posttraumatischer Symptomatik von Müttern nach Frühgeburt erfasst. Dabei handelt es sich bisher um Einpunktmessungen, prospektive Longitudinalstudien zum traumatischen Erleben von Müttern nach Frühgeburt wurden in der wissenschaftlichen Literatur bisher nicht publiziert. Ziel der Untersuchung ist es, das Ausmaß und den Verlauf posttraumatischer Symptomatik von Müttern nach der Geburt eines sehr kleinen Frühgeborenen zu erfassen. Methodik: Im Rahmen einer prospektiven Längsschnittuntersuchung wurden 50 Mütter, deren Kinder vor der vollendeten 32. Schwangerschaftswoche und/oder mit einem Gewicht unter 1500g geboren wurden zu drei Messzeitpunkten (1.-3. Tag pp, 14 Tage pp, 6 Monate pp und 14 Monate pp) untersucht. Die Messinstrumente bezogen sich auf die posttraumatische Symptomatik (IES-R), die psychiatrische Diagnostik (SKID-Interview), sowie das Ausmaß an Depressivität (BDI, MADRS) und Angst (STAI, HAMA). Als Kontrollgruppe diente eine Gruppe von Müttern nach unkomplizierter Spontangeburt eines gesunden Kindes (n=30). Ergebnisse: Die Mütter der Frühgeborenen gaben zu allen Messzeitpunkten signifikant höhere Werte traumatischen Erlebens und depressiver Symptomatik an als die Mütter der Kontrollgruppe. Dabei war für die Mütter der Frühgeborenen im Gegensatz zu den Müttern der Kontrollgruppe auch 14 Monate pp keine signifikante Reduktion der posttraumatischen Symptomatik und der Depressivität zu verzeichnen. Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass es sich bei der Situation einer Mutter nach Frühgeburt um ein komplexes, über einen längeren Zeitraum andauerndes traumatisches Geschehen handelt. Das hohe Ausmass an depressiver Symptomatik der hier untersuchten Mütter weist auf die Belastung hin, die für eine Mutter mit der Geburt eines Frühgeborenen einhergeht. Eine psychotherapeutische Begleitung einiger Mütter erscheint auch über den Zeitraum unmittelbar nach der Geburt hinaus sinnvoll.