Psychother Psychosom Med Psychol 2004; 54 - P3568
DOI: 10.1055/s-2004-819837

Prädiktion von PTBS-Symptomen bei Kriminalitätsopfern: Die Rolle interpersoneller und soziokognitiver Faktoren

A Maercker 1, J Müller 1
  • 1Klinische Psychologie und Psychotherapie, Universität Zürich

Im Zusammenhang mit fehlender sozialer Unterstützung und/oder gesellschaftlicher Wertschätzung als Opfer fühlen sich Traumatisierte häufig unverstanden. Sie ziehen sich noch stärker von zwischenmenschlichen Kontakten zurück, was die Verarbeitung und Bewältigung posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) verhindern kann. Eng damit verknüpft ist das Offenlegen der traumatischen Erfahrungen (Disclosure), dem eine wichtige Rolle bei Traumabewältigung zugesprochen wird. In unserer Studie wurden die interpersonellen und sozio-kognitiven Variablen „Gesellschaftliche Wertschätzung als Opfer/Überlebender“ und „Offenlegen traumatischer Erfahrungen“ untersucht. Zusätzlich wurden PTB-Symptomatik (IES-R), allgemeine Psychopathologie (BSI), körperlicher und psychischer Gesundheitsstatus (SF-36), kognitive Traumaverarbeitung (PTCI) und soziale Unterstützung (F-SozU) erhoben. 60% der 151 an der Fragebogenstudie teilnehmenden Kriminalitätsopfer waren weiblich. Ihr Durchschnittsalter lag bei 44 Jahren (SD=17,6 Range=15–90). Über die Hälfte (54%) erhielt eine PTBS-Diagnose. Durch PTBS-Symptome belastete Teilnehmer unterschieden sich hinsichtlich der untersuchten Variablen signifikant von unbelasteten Personen: Sie gaben sowohl verstärkt Verschwiegenheit als auch erhöhten Mitteilungsdrang an. Beides war mit höheren emotionalen Reaktionen assoziiert. Außerdem berichteten Personen mit PTBS-Symptomen von stärkerem generellem und familiären Unverständnis und weniger Anerkennung durch ihr soziales Umfeld als Befragte ohne PTBS-Symptomatik. Die beiden Variablen klärten im (Quer- und Längsschnitt) zusätzlich zu Standardvariablen wie Alter, Bildung, Traumabedingungen, kognitive Verarbeitung und soziale Unterstützung PTBS-Varianz auf. Dies weist darauf hin, dass das Offenlegen von Traumata und die gesellschaftliche Wertschätzung als Opfer/Überlebender zusätzlich zu schon bekannten psychologischen Faktoren zur Chronizität von PTBS-Symptomen beitragen.