Psychother Psychosom Med Psychol 2004; 54 - P3544
DOI: 10.1055/s-2004-819876

Psychosomatische Belastungsfaktoren bei kompensiertem und dekompensiertem Tinnitus

C Stobik 1, RK Weber 2, TF Münte 3, J Frommer 4
  • 1Westerwaldklinik Waldbreitbach
  • 2Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie im Marienhospital Stuttgart
  • 3Psychologisches Institut II der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
  • 4Uniklinikum Magdeburg, Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Fragestellung: Der chronisch dekompensierte Tinnitus wird heute als ätiologisch uneinheitliches komplexes psychosomatisches Geschehen beschrieben. Dabei wird sowohl otologischen und anderen somatischen Funktionsschädigungen als auch psychischen und sozialen Faktoren ein bestimmender Einfluss auf die subjektive Tinnitusbelastung zugeschrieben. Weitgehend ungeklärt ist jedoch bislang das Zusammenspiel dieser Faktoren im einzelnen und ihr Einfluss auf die Tinnitusbewältigung. Methoden: 53 Patienten mit chronischem Tinnitus wurden mithilfe des Tinnitusfragebogens (TF) nach dem Ausmaß ihrer subjektiven Tinnitusbelastung in die Gruppen kompensiert und dekompensiert unterteilt. Mithilfe von Selbstbeurteilungsinstrumenten und der Erhebung somatischer Belastungsfaktoren wurden die zwei Belastungsgruppen auf Unterschiede im psychischen und psychosozialen Bereich, der Krankheitsverarbeitung und in der Komorbidität verglichen. Ergebnisse: Die Patienten mit einem dekompensierten Tinnitus waren psychisch und sozial beeinträchtigter, depressiver und besaßen eine ineffektivere Krankheitsverarbeitung. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Belastungsgruppen liegt jedoch in einer deutlich höheren somatischen Multimorbidität, insbesondere in der Vergesellschaftung mit Hypakusis und Herzkreislauferkrankungen. 81% aller Patienten besaßen eine Hörstörung. Patienten mit einem dekompensierten Tinnitus waren dabei durch ihre Hörstörung stärker beeinträchtigt als die Vergleichsgruppe. Diskussion: In der Diagnostik und Therapie des Tinnitus müssen neben psychischen und psychosozialen Aspekten, somatische Faktoren als Einflussgröße auf die Krankheitsverarbeitung stärkere Berücksichtigung finden.