Psychother Psychosom Med Psychol 2004; 54 - AB20
DOI: 10.1055/s-2004-822482

Erleben und Befindlichkeit von Patienten nach Evakuierung des Dresdner Herzzentrums während der Flutkatastrophe 2002

F Einsle 1, V Köllner 2, M Nitschke 3, R Strasser 3, P Joraschky 1
  • 1Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, Uniklinik Dresden
  • 2Fachklinik für Psychotherapeutische Medizin in den Bliestal-Kliniken
  • 3Medizinische Klinik und Poliklinik II; Medizinische Fakultät; TU Dresden

Fragestellung: Die Flutkatastrophe 2002 ist bis heute in den Köpfen vieler Menschen in Dresden haften geblieben. Eine Besonderheit dieses Ereignisses bestand darin, dass alle drei Großkrankenhäuser Dresdens evakuiert wurden, so auch das Herzzentrum. Hier mussten 168 Patienten notfallmäßig verlegt werden. Ziel der Studie war es, zu erfassen, ob in der Zeit nach der Evakuierung bei den Betroffenen eine erhöhte psychische Belastung nachweisbar ist.

Methoden: An 111 der evakuierten Patienten wurde einen Monat nach der Evakuierung (T1) ein Fragebogen gesendet, der die Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS-D) und die Posttraumatic Symptom Scale (PTSS10) sowie selbstentwickelte Fragen zur Evakuierung enthielt. Nach weiteren sechs Monaten (T2) wurden die Patienten ein zweites Mal mit den gleichen Fragebögen und der Impact of Event Scale (IES-R) befragt. Mit einer Subgruppe (N=64) wurde zu diesem Zeitpunkt zusätzlich ein strukturiertes Interview zum Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung nach DSM-IV-Kriterien durchgeführt.

Ergebnisse: Die meisten Patienten nahmen die Evakuierung als wenig problematisch wahr. Sie betonten die gute Organisation in der Klinik. Hinsichtlich der psychischen Befindlichkeit zeigten 11,5% der Patienten zu T1 auffällige Angstwerte und 18,3% auffällige Depressionswerte. Zu T2 lagen die Häufigkeiten bei 8,5% bzw. 8,8%. Im PTSS 10 waren zu T1 20% und zu T2 25,4% der Patienten auffällig. Leider liegen keine Vergleichswerte vor der Evakuierung vor, aber die Prävalenzen decken sich mit denen von anderen Patientenstichproben aus dem Herzzentrum, die vor der Evakuierung gemacht wurden. Im Interview erfüllten nur drei Patienten die Kriterien einer subsyndromalen PTB bezogen auf die Evakuierung.

Diskussion: Insgesamt zeigt sich, dass die Mehrzahl der Patienten die Evakuierung gut verarbeiten konnte. Wichtig war ein hohes Maß an Strukturierung und Organisation. Problematisch war die schlechte Informationslage, die einige Patienten und Angehörige zeitweise verunsicherte. Dennoch hat sich gezeigt, dass eine Screeninguntersuchung nach einem solchen Ereignis sinnvoll ist, um den besonders belasteten Patienten therapeutische Hilfe anbieten zu können.