Psychother Psychosom Med Psychol 2004; 54 - AB39
DOI: 10.1055/s-2004-822501

Mutter-Kind Beziehungen in der Kindheit prädizieren das Auftreten depressiver Symptome im Erwachsenenalter

J Hardt 1
  • 1Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Mainz

Langzeitfolgen manifester Kindheitsbelastungen wie sexueller Missbrauch oder körperlicher Misshandlung wurden in einer Vielzahl von prospektiven und retrospektiven Untersuchungen beobachtet. Sie zeigen sich unter anderem in erhöhten Raten psychiatrischer Erkrankungen oder geringere Werte des allgemeinen Wohlbefindens Erwachsener. In ähnlicher Weise, aber in geringerem Ausmaß zeigen Untersuchungen zu Eltern-Kind-Beziehungen langfristige Folgen bis ins Erwachsenenalter. Bisher standen diese Forschungsrichtungen relativ unverbunden nebeneinander.

Es wird eine Analyse vorgestellt, in der ein Belastungsscore aus vier manifesten Kindheitsbelastungen (sexueller Missbrauch, körperliche Züchtigung, körperliche Gewalt zwischen den Eltern und Trennung der Eltern) sowie verschiedene Dimensionen der Eltern-Kind-Beziehungen simultan zur Erklärung aktueller depressiver Symptome (Symptomcheckliste) herangezogen werden. Die Analyse basiert auf einer Querschnittserhebung in einer Stichprobe von 375 Patienten aus der Primärversorgung mit einem Durchnittsalter von 40 Jahren. Zwischen der Kindheit und dem Zeitpunkt der Befragung lagen bei den untersuchten Patienten in der Regel mehr als 25 Jahre.

Als Ergebnis erweisen sich wahrgenommene mütterliche Liebe und Rollenumkehr–Mutter als direkte, das Vorhandensein manifester Kindheitsbelastungen als indirekte Prädiktoren für das Auftreten depressiver Symptome. Unter Berücksichtigung der langen Zeit, die zwischen der Kindheit der Patienten und der Befragung vergangen sind, sind die deutlichen und hochsignifikanten Assoziationen beeindruckend. Interpretiert man diese Ergebnisse kausal, was beim derzeitigen Forschungsstand allerdings mit gewisser Zurückhaltung erfolgen sollte, so stellen die Eltern-Kind-Beziehungen einen nicht zu unterschätzenden Einfluss für das Wohlbefinden im späteren Leben dar.