Psychother Psychosom Med Psychol 2004; 54 - AB51
DOI: 10.1055/s-2004-822513

Die Wahrnehmung von Emotionen bei transsexuellen Menschen

H Kessler 1, D Michallik 1, HC Traue 1, F Pfäfflin 1
  • 1Abt. Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Die Frage unserer Studie war, ob Transsexuelle (TS) beeinträchtigt sind in ihrer Fähigkeit, Emotionen im Gesicht eines anderen wahrzunehmen. Da sie häufig typische Attribute ihres biologischen Geschlechts ablehnen, wurde untersucht, ob sie Emotionen schlechter erkennen, wenn sie von Angehörigen ihres biologischen Geschlechts gezeigt werden und ob die Emotionswahrnehmung mit der Selbsteinschätzung der Femininität/Maskulinität zusammenhängt. Eine weitere Frage war, ob sich die Emotionserkennung verbessert, wenn TS nach der Behandlung in ihrem gewünschten Geschlecht leben. Als Methode zur Untersuchung dieser Fragestellungen wurden der FEEL-Test (Facially Expressed Emotion Labeling; Kessler et al., 2002) und standardisierte Fragebögen (BSRI – Bem Sex Role Inventory, SCL-90, TAS – Toronto Alexithymie-Skala) bei N=48 TS und einer nach Alter vergleichbaren gesunden Kontrollgruppe (N=48) eingesetzt. TS erkannten mimisch ausgedrückte Basisemotionen im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant schlechter, vor allem Angst und Ekel (p<0,01); gleichzeitig lagen sie in ihren globalen SCL-90-Werten eine Standardabweichung oberhalb des Mittelwerts im Vergleich zu einer Normstichprobe. Die Emotionswahrnehmung war unabhängig vom Stimulusgeschlecht oder der Einschätzung der eigenen Maskulinität/Femininität. Weiterhin zeigte sich keine bessere Emotionserkennung nach erfolgter Geschlechtsumwandlung. Es wird gefolgert, dass TS insgesamt Emotionen schlechter erkennen. Innerhalb der Gruppe der TS zeigten sich jedoch keine Korrelationen zwischen der Emotionserkennung, den Fragebogendaten (BSRI, SCL-90, TAS) und den Faktoren Stimulusgeschlecht, Selbsteinschätzung der Femininität/Maskulinität oder Phase der Geschlechtsumwandlung.