Z Geburtshilfe Neonatol 2004; 208 - 9
DOI: 10.1055/s-2004-829214

Psychologische Traumaprävention bei Müttern Frühgeborener auf der Neugeborenenintensivstation

M Jotzo 1, CF Poets 1
  • 1Universitäts-Kinderklinik Tübingen (Tübingen, Deutschland)

Fragestellung: Die Frühgeburt des Kindes und die darauf folgende intensivmedizinische Behandlung ist für die meisten Mütter eine starke psychische Belastung und kann einen traumatischen Effekt haben. Ein erheblicher Anteil von Müttern zeigt noch mehr als 18 Monate nach der Geburt posttraumatische Symptome (Intrusionen, Vermeidung, Hyperarousal). Diese Studie evaluierte die Effekte eines traumapräventiven psychologischen Interventionsprogramms im Hinblick auf die Reduzierung posttraumatischer Symptome bei Müttern.

Methodik: An der Studie im sequentiellen Kontrollgruppendesign nahmen 58 Mütter teil. Die Mütter der Interventionsgruppe (GA der Kinder 24? 36, Median 30, SD 3,88; Gewicht 420–2295g, Median 1295g, SD 577,23) erhielten in den ersten Tagen nach der Geburt eine strukturierte psychologische Krisenintervention. Bis zur Entlassung der Kinder konnten sie bei Bedarf auf psychologische Unterstützung zurückgreifen und wurden in kritischen Zeiten engmaschig psychologisch begleitet. Die Mütter der Kontrollgruppe (GA der Kinder 24–35 SSW, Median 30, SD 3,14, Gewicht 600–2450g, Median 1560, SD 528,56) erhielten keine Intervention. Zur Entlassung der Kinder beantworteten die Mütter standardisierte Fragebögen, die die wesentlichen Outcomevariablen (traumatische Symptomatik, Stichproben- und Kontrollvariablen) enthielten.

Ergebnisse: Die Rücklaufquote betrug in der Interventionsgruppe 93% (25 von 27), in der Kontrollgruppe 81% (25 von 31). Die mütterlichen Stichproben- und Kontrollvariablen differierten nicht signifikant. Bei den Kindern der Mütter der Interventionsgruppe fanden sich signifikant mehr Jungen sowie Hinweise auf eine höhere Behandlungsintensität (längere CPAP-Behandlung, häufiger Sepsis und Ductus arteriosus) als bei denen der Kontrollgruppe.

Die Mütter der Interventionsgruppe zeigten zum Zeitpunkt der Entlassung der Kinder signifikant weniger traumatische Symptome als die der Kontrollgruppe.

Traumatische Symptome

Interventionsgruppe (MW)

Kontrollgruppe (MW)

p

Gesamtsymptomatik

25,20

37,48

0,007

Intrusion

11,60

15,64

0,028

Vermeidung

07,68

12,36

0,012

Hyperarousal

05,92

09,48

0,010

In der Interventionsgruppe lagen 36% der Mütter über dem Cut-off-Wert für ein klinisch signifikantes Trauma, in der Kontrollgruppe 76%.

Schlussfolgerung: Das Interventionsprogramm reduzierte deutlich die posttraumatische Symptomatik bei den Müttern. Eine posttraumatische Belastungsstörung beeinträchtigt sowohl das Befinden als auch Einstellungen und Verhalten gegenüber dem Kind. So finden sich starke Zusammenhänge zwischen der Ausprägung mütterlicher posttraumatischer Symptome und der Ausprägung kindlicher Schwierigkeiten wie Schlaf- und Essstörungen. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit traumapräventiver Intervention, die möglichst frühzeitig stattfinden sollte.