Z Geburtshilfe Neonatol 2004; 208 - 23
DOI: 10.1055/s-2004-829228

Eilige Sektio nach Blasensprung bei oberer Dünndarmatresie?

M Henschen 1, R Hentschel 1, M Kleinschmidt 2, RR Rasenack 3, M Brandis 1
  • 1Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin
  • 2Pathologisches Institut
  • 3Universitäts-Frauenklinik, Universitäts-Klinikum Freiburg (Freiburg, Deutschland)

Wir berichten von einem Kind mit kongenitaler Jejunalatresie, das bei Ulzerationen der Nabelschnur und massiver intrauteriner Aspiration von Fruchtwasser und darin enthaltenem Blut nicht reanimiert werden konnte.

Die Mutter ist eine 28 Jahre alte I para, I gravida. Nach unauffälliger Schwangerschaft wurde im Alter von 28+4 Schwangerschaftswochen (SSW) die Diagnose einer oberen Dünndarmstenose gestellt und 3 Wochen später bei Polyhydramnion und zunehmender Wehentätigkeit eine Entlastungspunktion durchgeführt. Im Alter von 32+6 SSW kam es trotz Wehenhemmung zum vorzeitigen Blasensprung mit Abgang von klarem Fruchtwasser. Das zunächst reaktive CTG wurde nach weiteren 13 Stunden silent und zeigte wenige leichte Dezellerationen, so dass eine eilige Sektio durchgeführt wurde.

Bei blutig tingiertem Fruchtwasser wurde ein blasses Kind geboren, das zunächst ein- bis zweimal schrie, um dann trotz Intubation und maximaler Reanimationsmaßnahmen im Alter von 40 Minuten bei schwerer Oxygenierungsstörung zu versterben. Der Nabelschnur-pH betrug bei einem BE von -3 mmol/l 7,39, die Herzfrequenz konnte mit maximal 70/min, die Sauerstoff-Sättigung mit 50% gemessen werden, die Hämoglobinkonzentration in der Nabelschnur betrug 7,8g/dl.

Bei der Obduktion konnten bis auf eine 3mm lange Jejunalatresie keine Organanomalien festgestellt werden. Allerdings zeigten sich im Bereich der Magenschleimhaut und Nabelschnur tiefe Ulzerationen, neben belüfteten Arealen waren in ausgedehnten Bezirken der Lunge die Sacculi terminales mit Fruchtwasserbestandteilen und vor allem Blut gefüllt.

Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass der Fetus bei einer intestinalen Obstruktion distal der Papilla Vateri intrauterin Gallensäuren erbrochen hat, und diese bei Vorliegen eines Anhydramnions bei vorzeitigem Blasensprung zu Ulzerationen der Nabelschnur und Ruptur von Nabelschnurgefäßen geführt haben. Das so entstandene blutige und mit Gallensäuren angereicherte Fruchtwasser wurde intrauterin aspiriert und hat postnatal eine suffiziente Beatmung verhindert. In der Literatur wird bisher von 11 weiteren Fällen berichtet (Ohyama et al, Placenta 2000, 21, 432–5), die zum intrauterinen Fruchttod oder schwerer perinataler Asphyxie geführt haben, der Zeitpunkt des vorzeitigen Blasensprunges findet allerdings nur in Nebensätzen Erwähnung.

Wir sind der Überzeugung, dass nur die Kenntnis dieses Krankheitsbildes und die eilige Sektio nach einem Blasensprung die Prognose dieser Kinder wirklich verbessern kann!