Z Geburtshilfe Neonatol 2004; 208 - 48
DOI: 10.1055/s-2004-829253

Die Therapiebedürftigkeit der arteriellen Hypotonie des Frühgeborenen

E Robel-Tillig 1, S Gutsch 1, M Knüpfer 1, F Pulzer 1, C Vogtmann 1
  • 1Universitätsklinik für (Leipzig, Deutschland)

Fragestellung: Die arterielle Hypotonie des Frühgeborenen (FG) ist ein häufiges Ereignis. Eine diagnostische Empfehlung zur Abgrenzung therapiepflichtiger Hypotonien wird hinsichtlich ihrer klinischen Relevanz analysiert.

Methode: Zur Differenzierung des erniedrigten Blutdruckes (RR) hinsichtlich der Therapiepflichtigkeit wurden Laborparameter (Säure- Basen- Status), Monitoring (systolischer, diastolischer, mittlerer RR, Herzfrequenz, peripher- zentrale Temperaturdifferenz) und dopplersonographische Parameter (systolische Zeitintervalle, Schlagvolumen) betrachtet. Es wurde ausgewertet, inwieweit sich die therapierten bzw. nicht therapierten FG hinsichtlich der genannten Parameter, ihres aktuellen klinischen Zustandes, des weiteren stationären Verlaufes und möglicher Hypotonie bedingter Komplikationen unterschieden.

Ergebnisse: Wir analysierten die Verläufe von 179 FG <1500g. 78 FG (44%) wiesen im Verlauf der ersten 7 Lebenstage mindestens einmal länger als 6 Stunden einen mittleren

RR < der 10. Perzentile der Altersnorm auf. 61% der Hypotonien wurden von uns therapiert. Die therapierten bzw. nicht behandelten FG unterschieden sich nicht hinsichtlich der RR- Werte, jedoch waren die therapiepflichtigen FG signifikant unreifer (27,5 SSW vs. 29,4 SSW) und leichter (889g vs. 1105g). Es ließen sich ebenso signifikante Unterschiede bezüglich des ausgeprägteren Basenexzesses, eines erhöhten CO2- Partialdruckes und erniedrigten pH- Wertes in der Therapiegruppe darstellen. Die Herzfrequenz war höher und die zentral- periphere Temperaturdifferenz bei diesen FG größer. Dopplersonographisch ließ sich bei den behandelten FG eine verkürzte linksventrikuläre Ejektionszeit und ein verringertes Schlagvolumen darstellen. Demgegenüber konnten wir hinsichtlich des weiteren klinischen Verlaufes und möglicher Komplikationen keinen Unterschied zwischen den behandelten und nicht behandelten FG feststellen. Eine bronchopulmonale Dysplasie wurde bei 8% der nicht therapierten und 11% der therapierten FG nachgewiesen. Eine Retinopathia praematurorum, bei 80% der betroffenen FG Grad I und II, war bei 40% der FG beider Gruppen und eine IVH in der nicht therapierten Gruppe in 18% vs. 26% in der behandelten Gruppe aufzuzeigen.

Schlussfolgerung: Eine arterielle Hypotonie des FG ist nur behandlungsbedürftig, wenn ihre klinische Relevanz nachgewiesen wurde, um unnötige Therapien zu vermeiden. Gute diagnostische Möglichkeiten ergeben sich aus der Bewertung einfacher Monitorparameter, wie Herzfrequenz und peripher- zentrale Temperaturdifferenz, sowie der systolischen Zeitintervalle. Aus dem Behandlungsverzicht haben sich keine Nachteile für die betroffenen FG hinsichtlich des weiteren klinischen Verlaufes ergeben.